Lesermail zum „Mail aus Eching, Betreff: Re: AW: Europa, ja aber“

Lieber Herr Bachhuber,
ich kann verstehen, dass sehr viele Wähler politikmüde sind, weil vermeintlich „nix passiert“ und gegebene Wahlversprechen nicht eingelöst werden.
Wenn ich jedoch die Geschichte Europas aufmerksam verfolge, möchte ich hier sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen, die aktuelle politische Stimmung gleicht doch sehr den geschichtlichen Ereignissen zu Zeiten der Weimarer Republik, und wieviele Menschen dachten damals, das sei alles ganz weit weg?
Daher möchte ich mich ganz klar Herrn von Wangenheim anschließen und sagen „ja, es ist wichtig, wählen zu gehen“ – auch zur Europawahl, auch wenn ich mich in Eching nicht wirklich betroffen fühle.
Patricia Linner

2 Lesermails

  1. Lieber Herr Bachhuber,

    zur Europawahl sind aus meiner Sicht noch zwei essentielle Aspekte anzuführen:

    1. Als Wähler stelle ich mir schon die Frage, welches Gewicht meine Stimme überhaupt hat; der Staatsphilosoph Jean-Jacques Rousseau, auf den das Grundprinzip des „Gesellschaftsvertrages“ zurückgeht, würde wohl bei einer Massenwahl für ein politisches Großgebilde wie die EU (ca. 400.000.000 Wahlberechtigte, in Deutschland vertritt ein Eu-Abgeordneter etwa 860.000 Wahlberechtigte) nicht mehr von „Demokratie“ sprechen. Allein in Anbetracht dieser Relationen hält sich meine Wahl-Euphorie in Grenzen; darüber hinaus muss man sich (nach einem Blick auf das Wahlverfahren) im Klaren sein, dass der Wahlausgang – sagen wir z.B. in Ungarn – und damit die Zahl europafreundlicher bzw. europafeindlicher Abgeordneter aus diesem Land durch das Wahlverhalten der Deutschen nicht beeinflussbar ist.

    2. Die Wahlpropaganda der meisten Parteien unterstellt (wie bei bisher jeder Wahl), es gehe um „Europa“. Wer sich nicht beteiligt, sei folglich Anti-Europäer, Populist, Nationalist o.ä.
    Dabei stellt sich aber folgende Grundsatzfrage:
    Wünsche ich mir einen europäischen Staat („Bundesstaat“) oder einen europäischen Staatenbund?
    Ich plädiere für letzteren, der m. E. sehr wohl in der Lage wäre, einen gemeinsamen Bund zu gestalten, in dem Außen-, Militär-, Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik zum Vorteil aller koordiniert werden könnten, und das mit kürzeren Entscheidungswegen. Dazu braucht es aber kein EU-Parlament.
    Folglich werde ich nicht wählen, obwohl – oder gerade weil – ich mir wünsche, dass ein europäischer Staatenbund entstehen möge.

  2. Liebe Frau Linner,

    danke für Ihre Gedanken! Die Klage, dass „nix passiert“, ist in der Tat ein verbreiteter Grundstock für Politikverdrossenheit. Ich halte diese Sichtweise für verfehlt; meist passiert ja nur „das Falsche“, weil in der Regel die lautesten Beschwerdeführer völlig ohne Sinn und Verstand wählen. Aber das nur am Rande.

    Mein Beitrag wollte aber darauf hinweisen, dass in diesem Europaparlament überhaupt nichts passieren kann. Beleg: die vergangenen 40 Jahre dieser Einrichtung. Welche relevanten Beschlüsse wären dort gefasst worden? Welche Debatten geführt, die bewegt hätten? Mit wäre nichts davon erinnerlich.

    Das Europaparlament hat jetzt seit 40 Jahren satte Mehrheiten europafreundlicher Parteien. Inwiefern hat dieses Parlament mit diesen Mehrheiten Europa weiter gebracht? Wo also wäre das Problem, wenn nun europakritische Kräfte stärkere Anteile besäßen? Was würden die in diesem Parlament bewirken können?

    Klaus Bachhuber

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