Der Gemeinderat geht nun juristisch gegen den eigenen Bürgermeister und die langjährigen Gemeinde-Anwälte vor. Damit will sich die Gemeinde Teile der Ausgaben zurückholen, die im Rechtsstreit von Bürgermeister Sebastian Thaler um eine Auseinandersetzung am Echinger See 2018 geleistet worden waren, nach weder bestätigten noch dementierten Berichten über 72.000 Euro.
„Es ist einfach wichtig, dass die Verantwortung für Fehler geklärt wird“, empfahl Dritter Bürgermeister Leon Eckert (Grüne), der im Auftrag des Gremiums die Untersuchungen in dem Vorgang führt, die Einleitung der Verfahren. Zudem sehe er die Chance, „ausgegebenes Geld für die Gemeinde zurückzuholen“, daher sei es „die Pflicht des Gemeinderates, zu reagieren“.
Der Beschluss und die neuerliche Sondersitzung am Montag waren notwendig geworden, weil der Gemeinderat bislang nur die Einschaltung eines Anwalts zu den Honorarsätzen gemäß formaler Vergütungstabelle genehmigt hatte, für die auch der Rechtsschutz der Gemeinde greift.
Eckert teilte jedoch mit, dass sich in dem speziellen Verfahren auf dieser Basis niemand bereit erklärt habe. Für erhöhte Zahlungen springt die Rechtsschutzversicherung nicht ein.
Eckert betonte, er „vermute einen Anspruch gegenüber dem Bürgermeister und den Anwälten“. Allerdings gebe es „noch viele Variablen, die wir nicht kennen“. Weder Thaler noch die Kanzlei hätten sich an der Aufklärung des Vorgangs beteiligt, bedauerte er: „Das Verhalten von Bürgermeister und Anwälten ist nicht ordentlich.“
Eine Gegenstimme als Mahnung
Ungeachtet des Prozess- und Kostenrisikos beschloss der Gemeinderat mit 15:1 Stimmen von CSU, SPD, Grünen, FW, Bürger für Eching und FDP, die Verfahren zu starten. Dagegen votierte Axel Reiß (Grüne). Er argumentierte, dass der Gemeinderat beim Versuch, die damaligen Fehler zu ahnden, nun wieder die gleichen mache.
Man werfe Thaler vor, den Rechtsstreit nach den ersten Signalen auf Aussichtslosigkeit nicht beendet zu haben. Der Gemeinderat begebe sich nun auf den gleichen Weg, indem er weiter den Einsatz erhöhe, bei ungewissem Ausgang. „Die damalige Riesensumme ist auch nur stückerlweise entstanden“, sagte er, „und so machen wir es jetzt wieder.“
CSU-Sprecher Georg Bartl nutzte den Beschluss für eine nachträgliche Rüge. Die Ausgaben „hätten schon im April 2020 gestoppt werden können“, kritisierte er die Kollegen, als die von Thaler angeordneten Auszahlungen aufgefallen waren. Damals seien die Ausgaben „noch im Rahmen“ gewesen.
Die Staatsanwaltschaft habe damals bereits Anklagen von Thaler abgewiesen, wonach er das Opfer der Auseinandersetzung gewesen sei. Und die Behörde habe auch ihre Einschätzung vermittelt, dass Thaler bei dem Streit nicht im Amt als Bürgermeister gehandelt habe.
Dass der Gemeinderat dann auch nach der klaren Niederlage Thalers vor dem Landgericht die Kosten einer – später wegen attestierter Aussichtslosigkeit zurückgezogenen – Revision gebilligt habe, sei „unverzeihlich“.
SPD-Sprecher Herbert Hahner hielt dagegen, dass der Beschluss, mit dem Bürgermeister einen Angestellten der Gemeinde zu schützen, „zunächst vernünftig“ gewesen sei. Die Situation sei „damals nicht so klar gewesen, dass man das stoppen hätte müssen“.
Er halte die Fürsorgepflicht für einen Angestellten unvermindert für ein sehr hohes Gut. Und diese Auffassung habe das damalige Rechtsgutachten als Beschlussgrundlage „auch bestätigt“.
Die Vorgeschichte
Thaler hatte 2018 nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung am Echinger See um ein Durchfahrtsverbot für Pkw seinen Kontrahenten angezeigt, die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen jedoch eingestellt. Daraufhin verklagte jener Thaler zu Schadensersatzzahlungen, zu denen der Bürgermeister auch rechtskräftig verurteilt wurde.
Wohl gestützt auf eine Beratung des damaligen Rechtsbeistandes der Gemeinde betrachtete Thaler die Auseinandersetzung als dienstliche Angelegenheit und ließ alle Kosten folglich von der Gemeindekasse begleichen.
Als dies bei einer turnusmäßigen Rechnungsprüfung auf Verblüffung stieß, legte der Bürgermeister die Auszahlungen nachträglich dem Gemeinderat zur Genehmigung vor. Mutmaßlich ebenfalls gestützt auf die Analyse der Anwälte – alle Beratungen und Unterlagen waren und sind geheim – genehmigte der Gemeinderat die Kostenübernahme.
Auf Anzeige von Eckert hat die Staatsanwaltschaft Landshut mittlerweile die Ermittlungen gegen die damaligen Anwälte der Gemeinde aufgenommen. Eckert hatte sie auf „Parteienverrat“ angeklagt, weil sie in der Streitfrage, ob Thaler oder die Gemeinde die Verfahrenskosten zu tragen hätten, beide Seiten vertreten hatten, in der Sache zugunsten Thalers.
„Negative Feststellungsklage“
Ein mittlerweile aus der Kanzlei ausgeschiedener Anwalt hat nun eine sogenannte „negative Feststellungsklage“ gegen die Gemeinde eingereicht, mit der er sicherstellen will, dass etwaige Erstattungsansprüche der Gemeinde ausschließlich an die Kanzlei zu richten seien, aber nicht mehr an ihn.
Inhaltlich ist das quasi das Spiegelbild zum Vorhaben der Gemeinde, sich das Geld von den Anwälten zurückzuholen; der Umgang mit dieser Klage soll denn auch im Zuge der Bemühungen um Rückerstattung erledigt werden.
Als erster Schritt zur Neubewertung hat der Gemeinderat im Mai die damaligen Beschlüsse nachträglich aufgehoben, ein mit der kommunalen Rechtsaufsicht abgestimmter Schritt.
Unter Ausschluss des amtierenden Bürgermeisters beschließt der Gemeinderat im Rahmen einer Sondersitzung mit 15:1 Stimmen, juristisch gegen den eigenen Bürgermeister vorzugehen.
Zudem erhöht der Gemeinderat nach dem Motto „what ever it takes“ den Einsatz und genehmigt Honorarsätze jenseits des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Ohne dass sich der Bürgermeister bisher hat in die Karten schauen lassen, aber in Kenntnis des eigenen mittelmäßigen Blatts, geht der Gemeinderat „all in“ und lässt es zum showdown kommen.
Was sich nach einer neuen Folge des Komödienstadels anhört, ist in Eching leider traurige Realität. Diese und die vielen anderen Possen des Echinger Politikbetriebs leisten der Politikverdrossenheit enormen Vorschub und sind Wasser auf die Mühlen all derer, die über „die Politiker“ oder „die da oben“ schimpfen.
In der aktuellen Krisensituation wünschte man sich Sondersitzungen zu weit drängenderen Problemen, wie zum Beispiel der Energiekrise, Wohnraumschaffung, Kinderbetreuungsplätze, Flüchtlingsunterbringung, Verkehrschaos, oder, oder, oder…
Der Dritte Bürgermeister, Leon Eckert, hat zwar nicht unrecht, wenn er sagt, „dass es einfach wichtig sei, die Verantwortung für Fehler zu klären“. Für mich kommt dies jedoch zu spät, denn die Frage, wer im Zusammenhang mit dem Vorfall am Echinger See Fehler gemacht hat, ist längst geklärt:
1. Der Bürgermeister
2. Die damaligen Rechtsanwälte
3. Eine Mehrheit der Gemeinderatsmitglieder.
Die Frage nach Verantwortung ist ebenfalls beantwortet: Alle Genannten sind für ihr Handeln letztlich selbst verantwortlich.
Der Versuch, sich hinter dem Deckmantel „Falschberatung“ zu verstecken, wird nicht gelingen, da es frühzeitig entsprechende Warnsignale und Warnrufe gab. Zudem steht der von L. Eckert erwähnten Pflicht der Gemeinderäte, zustehende Gelder einzufordern, die Verpflichtung, (weiteren) Schaden von der Gemeinde abzuwenden, gegenüber. Wenn in diesem Zusammenhang also über Chancen gesprochen wird, müssen auch die Risiken benannt werden.
Was in dieser ganzen Angelegenheit also meiner Meinung nach wirklich fehlt, ist nicht das Lostreten eines offenen und hinsichtlich der Kosten unkalkulierbaren Rechtsstreits, sondern das Eingeständnis, Fehler gemacht zu haben. Im Weiteren wäre dann die gemeinsame Suche nach Auswegen aus dieser Misere, zum Wohle der Gemeinde, angebracht.
Bedauere, Schwamm drüber, aber weiter wie gehabt, kann natürlich nicht die Lösung sein. Nötig wäre vielmehr ein Tabula rasa. Nur ist ein solcher Neustart leider nicht absehbar… Traurige Realität in Eching.
S. Meyr
Na endlich.
Zitat Leon Eckert: „Es ist einfach wichtig, dass die Verantwortung für Fehler geklärt wird“ (s.o.).
Das ist gut: Dann wird es hoffentlich zu Konsequenzen kommen, weil auch Herr Eckert der Kostenübernahme in zwei Gemeideratssitzungen (auf Grundlage des Persilscheins der Anwaltskanzlei für Thaler) zugestimmt hatte, obwohl der CSU-Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat, Georg Bartl, mehrfach angemahnt hatte, auch das Urteil des Landgerichts Landshut abzuwarten und als weitere Entscheidungsgrundlage „pro/kontra Kostenübernahme“ mit einfließen zu lassen. Bartl wurde bekanntlich in beiden GR-Sitzungen von der „Bunten“-Mehrheit überstimmt.
Daher kann sich weder Eckert noch sonst ein GR-Mitglied der „Bunten“ jetzt auf Ahnungslosigkeit berufen. Es war bei denen seinerzeit schlichtweg nur absolute Thaler-Hörigkeit, gepaart mit Sturheit (möglicherweise auch mit Begriffsstutzigkeit).
Dass der 2. Bgm., Herr Reiß, gegen die Klage stimmte, lässt mich an seiner rechtsstaatlichen Gesinnung zweifeln: Es war schließlich (lt. rechtskräftigem Gerichtsurteil) Herr Thaler, der a) durch eine von ihm provozierte private Auseinandersetzung mit einem Autofahrer an dessen Fahrzeug Sachbeschädigung verursacht hatte und b) durch m. E. arglistige Täuschung des Gemeinderats die Schadensersatz-, Gutachter, Anwalts- und Prozesskosten auf die Gemeinde Eching abgewälzt hatte (aus ca. 4.300 € Schaden am SUV eines Herrn aus Scheyern wurden insgesamt ca. 72.400 €).
Ich hoffe, dass Herr Reiß bei der nächsten Kommunalwahl für sein für mich nicht nachvollziehbares Abstimmungsverhalten von den Wählern eine deutliche Quittung bekommt (falls er überhaupt noch einmal für den Gemeinderat kandidiert). Jedenfalls werde ich als Parteimitglied von B.90/Die Grünen keine Wahlwerbung für Herrn Reiß (und andere) machen.
Wie sagte einst Bertolt Brecht so treffend: „Nur die dümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber.“
Die gestrige Sondersitzung des GR zeigt einmal mehr mehr als deutlich die verschobene Rechtsstaatlichkeit. Die Sitzung wurde geleitet vom 2. Bürgermeister Axel Reiß, der völlig fehl am Platze ist. Schon die Eröffnung der Sitzung zeigt, dass er dem Amte entsprechend unfähig ist.
Ein Rat von einem alteingesessenem Bürger Echings: Treten Sie zurück. Die einstige Mustergemeinde versinkt im Chaos.