In Deutschland fehlt eine genauere Differenzierung des Themas digitale Bildung. Ist digitale Bildung der Umgang mit digitalen Inhalten oder die Nutzung von digitalen Systemen? In beiden Bereichen hakt es deutlich und die Ausbildung in den Schulen war früher in diesen Bereichen besser.
Zuweilen sieht man bei Eltern, Politikern und Lehrkräften den Gedanken aufblitzen, dass die Kinder digital mündiger würden, wenn in der Schule ein digitales Whiteboard hängt, die Kinder mit Apps auf den Tablets Multiple-Choice-Hausaufgaben erledigen oder keine Schulbücher mehr im Schulranzen mit sich rumtragen müssen. Dadurch werden keine digitalen Kompetenzen noch eine vermeintliche digitale Mündigkeit erreicht werden.
Wann sind Kinder und auch Erwachsene digital mündig? Die Frage ist des Pudels wahrer Kern, wird aber nicht mit dem massiven Einsatz von teurem Equipment, wie Tablets und Whiteboards, beantwortet werden.
Ohne die Kenntnisse von grundlegenden Funktionsweisen, Regeln und Normen im Umgang mit digitalen Systemen wird man immer einen Crash hinlegen, der in der Regel nicht ganz so schmerzhaft ist wie bei einem Autounfall, aber in ähnlichen monetären Dimensionen liegen kann.
Die Kompetenz zur Vermittlung der Funktionsweisen, Regeln und Normen fehlt der Mehrheit der Lehrkräfte und kann nur durch externe Experten ergänzt werden.
Der Umgang mit Medien ist ein fachübergreifendes Thema und hat nichts mit der Digitalisierung zu tun. Ich sehe hier das Problem eher in der Wertigkeit von Informationen in einer Gesellschaft. Wenn wir unnützen oder vereinfachten Inhalten einen hohen Stellenwert einräumen, wird sich darum ein Markt entwickeln, der durch digitale Systeme potentiell verstärkt wird. Ein ähnliches Problem gab es in abgeschwächter Form bereits beim Telefon und Fernsehen.
Digitale Mündigkeit beginnt wie in vielen anderen Bereichen zu Hause bei den Eltern oder im direkten Umfeld wie Freunden, Verein und Hobbies. Je vernünftiger und wertiger hier Digitalisierung gelebt wird, umso stärker identifizieren sich die Kinder damit. Wenn die Eltern permanent mit Duckface-Selfies auf Instagram Likes einsammeln wollen, wird es auch für die Kinder erstrebenswerter.
Spannend ist auch, die Art der Kommunikation zu beobachten. Schlimmste Beispiele sind Whatsapp oder die Krönung X (aka Twitter). Wie soll sich Sprache entwickeln, wenn man künstlich limitiert wird und aus Zwang und Faulheit die Informationen und der Kontext so drastisch gekürzt werden, dass der Subtext auf der Strecke bleibt?
Der Einsatz von digitalen Systemen zu einem frühen Zeitpunkt hilft den Kindern nur, die Scheu abzulegen, etwas zu nutzen, das potenziell teuer ist und kaputt gehen könnte, oder sich im Umgang zu blamieren.
Andreas Vierthaler