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ORTSGESCHEHEN

Mehr als ein alter Hut?

Da schau her – die Südumgehung.
Es werden sich einige verwundert die Augen gerieben haben, als der Gemeinderat jüngst vollkommen einstimmig und ohne jegliche Kontroverse eine südliche Umgehungsstraße zum Planungsziel erklärte. Seit annähernd 40 Jahren geistert dieses Phantom durch die Ortspolitik – doch niemals in all diesen Jahrzehnten war die Südumgehung über den Status einer gedanklichen Option hinausgekommen.

In der grundsätzlichen Weichenstellung in den 1970/80er Jahren hatte der Gemeinderat darauf gesetzt, dass die neu geplante Autobahn A92 den Ost-West-Verkehr langfristig ausreichend ableiten werde; eine Südumgehung, damals schon als Alternative im Spiel, war damit obsolet. In den folgenden Jahren war ein neuer Straßenbau völlig undenkbar, da es zum gedanklichen Überbau im Rathaus gehörte, den allmählich ausufernden Verkehr durch bequeme Straßen nicht auch noch zu befördern.
Nach dem Amtsantritt von Bürgermeister Josef Riemensberger ließ auch der keinerlei Neigung erkennen, eine Südumgehung anzupacken, auch wenn ihm dies von seinen Standeskollegen beim Hammelessen der Landwirte jährlich nach dem Hauptgang ans Herz gelegt wurde. Im aktuell gültigen Gemeindeentwicklungsprogramm in der Fassung von 2009 ist eine Südumgehung nicht einmal als Diskussionsmodell erwähnt.
Noch 2008 nahm der Gemeinderat ein Verkehrsgutachten zu den Akten, ohne auch nur einen Finger für eine Südumgehung zu krümmen. Riemensberger tat den Gedanken ab mit dem Hinweis, man könne nicht "für einen Verkehr, der den Ort nichts angeht, eine aufwändige Umgehung bauen".

Nun war 2008 nach den Wahlen – und jetzt stehen Wahlen an… Aber macht das die Südumgehung besser?

Das Verkehrsgutachten, auf das sich der Gemeinderat bezieht, prognostiziert von den 13.000 täglichen Verkehrsbewegungen auf der Hauptstraße eine Entlastung durch die Südumgehung um gerade mal 5000 Fahrzeugbewegungen.
Man muss die mögliche Trasse nur mal gedanklich abfahren: die Südumgehung würde über den Mastenweg führen, dann weit südlich des Echinger Sees die Autobahn queren, von hier einige hundert Meter parallel zur Autobahn verlaufen und irgendwo wieder auf die Staatsstraße stoßen. Wer soll da fahren?
Der Winkel bis um den Echinger See herum und dann ewig lange parallel zur Autobahn ist real und gefühlt ein deutlicher Umweg zur bisherigen Trassenführung. Bei der Einmündung der Liebigstraße dann wieder auf die Staatsstraße zu stoßen, wäre auch nicht der Bringer; diese hoffnungslos überlastete Einmündung würde durch den neuen Seitenast zur Kreuzung – und damit wohl vollends dauerdicht. Den großen Vorrang an dieser Kreuzung könnte die Umgehung auch nicht bekommen, weil von Westen ja immerhin noch die Autobahn erschlossen werden muss. Die Umgehung noch weiter östlich auf die Staatsstraße zurückzuführen, würde den Umweg aber noch vergrößern.
Man stelle sich einen Autofahrer vor, der von der A9 aus Richtung Süden kommend in Richtung Dachau abfahren will. Der fährt also in die "falsche" Richtung von der Autobahn ab, fährt dann einen Kilometer retour und dann erst schwenkt er über einen Winkel dahin, wo er will...

So richtig zwingend kommt diese Südumgehung eher nicht daher. Auch der Effekt, dass mit ausgewiesener Umgehung ein Lkw-Durchfahrtverbot im Ort realisiert werden könnte, hat 2013 einiges von seinem Charme eingebüßt. Immerhin hat Eching jetzt ein nächtliches Durchfahrtverbot – und Bürgermeister Riemensberger hat in seinem jüngsten Wahlkampf ja schon postuliert: "Lkw-Verbot – wir haben es erreicht"…

Ein 40 Jahre altes Phantom plötzlich zu beleben, bezeugt aber doch vor allem eines: die weithin grassierende, erschütternde Ideenarmut im Umgang mit dem Verkehr. Der stereotype Lösungsansatz lautet: wir haben ein Verkehrsproblem, wir bauen eine neue Straße.
Kann es denn wahrhaftig sein, dass in einer Region, die so mit ihrer Fortschrittlichkeit protzt wie der Münchner Norden, seit Jahren und Jahrzehnten nicht mehr dazu einfällt?

Speziell in Eching ist diese Kapitulation vor dem Verkehr besonders drastisch. Welche Gedanken wurden in den vergangenen 10, 15 Jahren im Gemeinderat debattiert – außer die Beauftragung neuer Verkehrsgutachten? Keine Ansätze zum Autoteilen, zu intelligenter Mobilität, zur sinnvollen Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, keine Initiative, den innerörtlichen Verkehr auf's Fahrrad zu verlegen. Bürgermeister Riemensberger ist immer noch der Überzeugung, dass es in einer Event- und Bildergesellschaft genügt, wenn er in Neubaugebieten Radwege angelegt und einmal im Jahr bei der Bürgerversammlung vor 60 Leuten drauf hinweist, doch mit dem Radl zum Semmelholen zu fahren.

Wahrscheinlich ist der Beschluss des Gemeinderats für die Südumgehung darauf angelegt, dass sie von den staatlichen Stellen ohnehin abgeblockt wird. Aber für die anstehenden Wahlen wurde ja was getan. Auch eine Art von Verkehrspolitik...

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