. .

GLOSSE

Von Erwartungen, Prozenten und Stimmen für 'schwarz'

Es gibt an derartigen Wahlabenden zwei absolut regelmäßige Phänomene: a) jeder hat gewonnen; b) jeder hat das Ergebnis vorher genau so erwartet.
War das Ergebnis vom Sonntag wirklich so zu erwarten? Wäre nun Otmar Dallinger in der Stichwahl, hätte das wahrscheinlich auch jeder vorher genauso erwartet... Und wäre Irena Hirschmann mit gerade Zweikommairgendwas Prozent der Stimmen untergegangen, hätte auch das jeder schon vorher gewusst. Und dass Josef Riemensberger in die Stichwahl muss - klar, erwartet...

*

Josef Riemensberger ist seit gefühlt 500 Jahren in der Ortspolitik engagiert und seit 12 Jahren Bürgermeister, seine Partei, die CSU, seit fast 50 Jahren Regierungspartei im Land; die SPD hat in Eching 26 Jahre den Bürgermeister gestellt, Anette Martin ist seit neun Jahren ihre Fraktionssprecherin im Gemeinderat; Otmar Dallinger ist Ortsvorsitzender der Freien Wähler und seit sechs Jahren im Gemeinderat aktiv. 4386 Echinger Bürger, das sind 44,7 Prozent der Bevölkerung, wollten keinen dieser drei zu ihrem Bürgermeister haben. 3736 gingen gar nicht zur Wahl, 650 wählten Irena Hirschmann, die für einen spontan zur Wahl gegründeten Verein antrat und erst zum Meldeschluss nominiert wurde. Nur jeder vierte Echinger Bürger hat dafür gestimmt, dass Riemensberger Bürgermeister bleibt. Ob alle, die am Sonntag gewonnen haben, auch darüber mal nachdenken?

*

Die Bewertung der Wahlergebnisse hat immer eine Komponente, die auf den Bildschirmpräsentationen nicht erkennbar ist: den Abgleich mit den individuellen Erwartungen und Befürchtungen. So wird Josef Riemensberger hinter den Rolläden seines Amtszimmer einige Steine vom Herzen kullern haben lassen, dass sich das Desaster der Landratswahl 2008 nicht fortgesetzt hat, wo er in seiner Heimatgemeinde mit nur knapp 45 Prozent Zustimmung untergegangen war. Und so kann sich Anette Martin mit dem Einzug in die Stichwahl als Gewinnerin fühlen, obwohl sie gerade das schlechteste kommunalpolitische Ergebnis für ihre Partei seit der jüngeren Echinger Zeitenwende 1972 eingefahren hat.

*

Ein Stimmenvergleich zur Bürgermeisterwahl 2004 taugt wenig; bei zwei Kandidaten damals sind Prozentwerte völlig anders zu gewichten als bei vier. Interessanter ist da schon ein Bezug zur Gemeinderatswahl vor zwei Jahren. Riemensberger erfolgreicher als die CSU, Martin und Dallinger jeweils weniger erfolgreich als SPD und Freie Wähler, lautet da die Relation - und, übrigens, Hirschmann deutlich erfolgreicher als die FDP...

*

Schwer zu sagen, ob die CSU-geführte Bayerische Staatsregierung 1978 Günzenhausen aus wahltaktischen Erwägungen nach Eching eingemeindet hat... Seither jedenfalls ist das Hügelvolk im Norden eine bombensichere Bank für die 'Schwarzen', egal, wer oder was auch immer gerade gewählt wird. Ihr Faible für 'schwarz' haben die Günzenhausener diesmal auch auf den Kaminkehrer im Bewerberfeld ausgedehnt, so dass Riemensberger (CSU) nur auf vergleichsweise matte 52,7 Prozent kam (dennoch seine einzige absolute Mehrheit in zwölf Wahllokalen), Dallinger auf üppige 25 Prozent. Die SPD darf auch immer mittun im Günzenhausener Wahllokal, aber egal, mit wem sie sich bemüht, ihre Wähler dort kennt sie alle persönlich; 82 waren es diesmal.

*

Weil die Bürgermeisterwahlen in Eching separiert von den restlichen kommunalen Entscheidungsfindungen laufen, haben die Kandidaten für die Stichwahl nun ein echtes Problem: womit sollen sie Wählerblöcke der ausgeschiedenen Bewerber ködern? Üblicherweise winkt hier für eine energische Wahlempfehlung schon mal ein Pöstchen als Zweiter Bürgermeister oder ein großzügig überlassener Ausschusssitz... In Eching aber sind alle Pfründe vergeben - kein Wunder, dass Dallinger und Hirschmann Wahlempfehlungen schon kategorisch ausgeschlossen haben...

*

Wen wählen jetzt die 1380 Anhänger von Otmar Dallinger und die 650 Unterstützer von Irena Hirschmann am 18. Juli? Üblicherweise lauten die Parolen vor derartigen Stichwahlen ja, unbedingt die eigenen Parteigänger zu mobilisieren, die Erwartungen ans Wetter sind auch ein gern genommener Joker - alles geschenkt diesmal; ob Riemensberger und Martin nun fünf Prozent ihrer Stammwähler mehr oder weniger motivieren können, ist unerheblich. 5766 Echinger haben am Sonntag keinen von beiden gewählt - auf die kommt es jetzt an. 
Dass einer der beiden in erheblichem Maß Nichtwähler rekrutieren könnte, scheint wenig wahrscheinlich. Dass Hirschmanns 650 Protestwähler zum amtierenden Bürgermeister umschwenken könnten, läge auch nicht unbedingt in der Logik der Sache; ob die deswegen aber Martin wählen, ist auch nicht ausgemacht. Völlig offen aber ist, wohin sich die 1380 Stimmen für Otmar Dallinger jetzt verteilen. Wenn sie Stimmen gegen den Amtsinhaber waren, müßten sie jetzt Anette Martin zufliegen. Wenn sie reine Sympathiestimmen für Dallinger waren, ist ihre neue Liebe offen. Und auch wenn bei der Podiumsdiskussion vor der Wahl sowohl Otmar Dallinger als auch Anette Martin zu Protokoll gaben, den Urlaub auf der einsamen Insel am liebsten mit dem jeweils anderen zu verbringen - zwischen ihren Gruppierungen wäre eine besonders innige Sympathie in den vergangenen Jahren nicht unbedingt auffällig geworden...

*

Ganz sicher aber ist: das Ergebnis vom 18. Juli - es wird von allen genau so erwartet worden sein.

(Hierzu sind Lesermails eingegangen.)

WetterOnline
Das Wetter für
Eching