Die Diskussion kommunaler Finanzgestaltung leidet seit jeher unter einer zunehmenden Unwucht. Während die Finanzplanung mit stundenlangen Debatten und präparierten Haushaltsreden einen Fixpunkt des kommunalpolitischen Geschehens bildet, wird die Jahresrechnung nicht erwähnt und wortlos an die Prüfinstanzen weitergereicht.
Sinnvoll und wichtig ist es, die Pläne, Absichten und Schwerpunkte ausgiebig zu diskutieren, die in einem Haushaltplan niedergelegt werden, und ihre Finanzausstattung festzulegen; das ist der Zweck der Haushaltsdebatte.
Absurd aber mutet es an, die finanzielle Bilanz einer Gemeinde bei der Jahresplanung zu ziehen – und nicht beim Jahresabschluss. Exemplarisch ist das seit Jahren in Eching zu verfolgen.
Regelmäßig weist die Planung ein Defizit auf, was dann als Misswirtschaft harsch kritisiert wird – und regelmäßig ergibt die Jahresrechnung ein Plus, was wiederum der Bürgermeister als Argument für gelungenes Wirtschaften ins Feld führt.
Die öffentliche Wahrnehmung dieser Debatte baut dabei häufig auf einem schiefen Bild auf. Im Gegensatz zur privaten Finanzplanung der „schwäbischen Hausfrau“ weiß eine Gemeinde eben nicht, mit wie viel Einnahmen sie rechnen kann.
Kommunale Beteiligung an der Einkommenssteuer der Gemeindebürger und Gewerbesteuer sind die zentralen Pfeiler der Einnahmen des Echinger Rathauses. Zur Einkommenssteuer gibt es staatliche Schätzungen, die das zu erwartende Aufkommen ziemlich realistisch prognostieren. Dieser Posten kann also einigermaßen verlässlich kalkuliert werden.
Die Gewerbesteuer aber ist völlig unkalkulierbar, auch in Zeiten ohne Pandemie. Eine Jahre umfassende Rückzahlung an einen gewichtigen Steuerzahler kann ein dramatisches Finanzloch reißen, eine unerwartete Veranlagung nach dem Ablauf von Freibeträgen eine Gemeindekasse fluten.
Die so naheliegend scheinende Maxime, nicht mehr auszugeben als man einnimmt, ist für kommunale Haushaltsberatungen daher verfehlt – weil man nicht weiß, was man einnimmt.
Eching hat 2013 an Gewerbesteuer 13,3 Millionen Euro eingenommen, 2014 aber 10,8 Millionen Euro. 2017 kamen 14 Millionen Euro rein, 2018 aber 11 Millionen Euro. Zwischen 2013 und 2014 hat sich weder die Gewerbepolitik der Gemeinde verändert noch das fiskalische Talent des damaligen Bürgermeisters. Es war halt so duch eine Summierung jährlicher Einzelereignisse zwischen Gewerbesteuerzahlern und Finanzamt.
Wenn eine Gemeinde 2017 also 14 Millionen Euro im Jahresabschluss einnimmt und folglich 14 Millionen im der nächsten Haushaltsplanung ansetzt, dann ist der Etat 2018 gedeckt und die Kritiker zufrieden. Zum Jahresende 2018 sind – in dem Beispiel – dann aber nur 11 Millionen Euro reingekommen und der Abschluss weist ein Minus aus.
Dieses Minus in der Jahresrechnung ist dann real. Ein Minus im Ansatz aber ist beliebig. Ein ausgeglichener Haushaltsplan ist ein überbewerteter Popanz. Eine einmal unausgegliche Jahresrechnung aber ist ein Alarmsignal, eine mehrfach unausgegliche Jahresrechnung ein Zeichen für verfehltes Wirtschaften.
Heuer hat die Gemeinde vorsichtig nur neun Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen im Plan angesetzt. Das führt zu einem Defizit im Ansatz des laufenden Verwaltungsbetriebs von rund drei Millionen Euro.
Zynisch hätte der Bürgermeister aus der „9“ auf Seite 87 im Etat eine „12“ machen können und der Etat wäre ausgeglichen. Und ob Eching 2021 neun Millionen Euro einnimmt oder 12 Millionen oder sieben oder 14 – das weiß heute kein Bürgermeister, keine Kämmerin und kein Kritiker im Gemeinderat.
Wissen wird man es bei der Jahresrechnung am Ende von 2021. Und dann muss die Debatte geführt werden, ob die Gemeinde ein „strukturelles Defizit“ hat. Wenn sie die laufenden Ausgaben nicht mehr aus den laufenden Einnahmen bestreiten kann, dann hat sie das.
Aber diese Bilanz ist anhand realer Ausgaben und realer Einnahmen zu ziehen – nicht anhand geschätzter Einnahmen und vermuteter Ausgaben.
Bei der Jahresrechnung sieht man, ob sich Eching seine laufenden Ausgaben und seine Investitionen leisten kann. Daraus können politische Ableitungen gezogen werden, ob man sparen muss, Investitionen reduzieren oder Gebühren erhöhen.
Das muss dann in der Tat in der Haushaltsberatung debattiert und entschieden werden. Aber auf der Basis der realen Zahlen der Vorjahre – und nicht der Fantasiezahlen einer Prognose mit Dutzenden Unbekannten.
(P.S.: Diese Unwucht ist kein Echinger Phänomen und keine örtliche Fehlentwicklung, daher soll damit auch keiner der hier Beteiligten spezifisch kritisiert werden. Dies sind grundsätzliche Gedanken, die für jeden anderen Ort genauso gelten.)