Lesermail zum Artikel „‚Sein Stuhl passt nicht an unseren Tisch’“

Sehr geehrte Frau Kurz,

ich sehe das wie Sie. Kinder und Enkelkinder in der Nähe zu haben, füreinander da sein zu können und das Zusammensein zu genießen, löst auch bei mir ein durch und durch gutes Gefühl aus. Und was, wie Sie auch festgestellt haben, hinzukommt: Der Gedanke, dass wir generationenübergreifend in einer Stadt oder Gemeinde wohnen können, ist nicht nur aus emotionalen Gründen sehr wertvoll. Auch in praktischer und organisatorischer Hinsicht – bezogen auf die Betreuung der Kinder und die Versorgung der älteren Familienmitglieder – ist es von enormem Vorteil, wenn Familien nicht weit entfernt von ihren Eltern und Großeltern leben können.

In diesem Zusammenhang kommt der Gemeinde – nicht nur als Entwicklerin neuer Baugebiete – eine sehr große Verantwortung zu, auch da gebe ich Ihnen recht. Und auch ich würde als Bürgerin wissen wollen, wie die Verantwortlichen der Gemeinde das lösen werden.

Für den Status Quo haben tatsächlich – wie Sie in Ihrem Brief angemerkt haben – andere gesorgt. Der Hauptgrund dafür liegt in meinen Augen in der langen Vorlaufzeit, die notwendig ist, um den Wunsch, ein neues Baugebiet zu erschließen, tatsächlich zu verwirklichen. Viele behördliche und administrative Schritte sind notwendig, so dass zwischen der ersten Idee für ein Baugebiet und dem Einzug der Bürgerinnen und Bürger in ihr neues Haus viele Jahre vergehen. Demzufolge dürfen wir gerade vom Erbe der Amtsvorgänger*innen profitieren und gleichzeitig ist es nun die Verantwortung des amtierenden Bürgermeisters, seiner Verwaltung und seines Gemeinderates, für Perspektiven in der Zukunft zu sorgen.

Einfach neue Flächen auszuweisen und diese bis zur Baureife zu führen, wäre eine logische Vorgehensweise, berücksichtigt aber nicht die Vielzahl an Fragen und Aspekten, die dabei auch eine bedeutsame Rolle spielen. Mit den größer und mehr werdenden Baugebieten muss auch die Infrastruktur in gleichem Maße und im gleichen Tempo mitwachsen. Kindergärten, Schulen, Straßen und die gemeindlichen Einrichtungen generell müssen auf die jeweils neue Einwohnerzahl ausgerichtet sein. Dies weiterzuentwickeln, ist für sich genommen ebenso komplex. Es bedarf zudem nicht nur einer gründlichen Planung und Umsetzung sowie ausreichender Mitarbeiterkapazitäten in den entsprechenden Fachbereichen, sondern muss auch finanziell gestemmt werden. Dabei kommt der Steuerkraft eine große Bedeutung zu.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihren Blick in Richtung Nachbargemeinden aufnehmen. Wir können uns leider nur bedingt mit Neufahrn und Unterschleißheim vergleichen, haben sie doch in vielerlei Hinsicht andere Voraussetzungen, aber ich finde Ihren Ansatz sehr gut. Über unseren Tellerrand hinauszuschauen, Vergleiche einzuholen und sich von guten Ideen inspirieren zu lassen, halte ich für eine wertvolle Vorgehensweise. Es gibt in anderen Gemeinden innovative Projekte, die zeigen, wie neues Wohnen aussehen kann, und anhand derer wir für unsere eigenen Bedürfnisse lernen können, denn die Flächen sind endlich, der Zuzug raus in den Speckgürtel Münchens unaufhaltsam, zu massive Versiegelung muss verhindert und ausreichend Ausgleichs-, Grün- und Erholungsflächen müssen geschaffen bzw. erhalten werden.

Keine leichte Aufgabe, vor der ich mich als Teil der Verantwortlichen nicht drücken möchte, denn Ihren Gedanken finde ich enorm wichtig und ich möchte sehr gerne mitwirken, diese Idee zu unterstützen und hoffentlich Stück für Stück zu realisieren.

Mit vielen Grüßen
Stefanie Malenke, Gemeinderätin (SPD)

P.S.: Ich habe zwar allmählich das Gefühl, ein wenig zu überpräsent in der Leserbriefrubrik von Herrn Bachhuber zu sein, aber ich halte den derzeitigen Austausch mit Ihnen für sehr wertvoll und freue mich über Ihre Rückmeldungen – helfen sie doch zu verstehen, was Ihnen wichtig ist.

Ein Lesermail

  1. Sehr geehrte Frau Malenke,

    diesen sogenannten Richtungswechsel der weiteren Beschränkungen in der Vergabe der Baugrundstücke haben weder Sie noch die SPD noch eine andere Partei vor der Wahl angekündigt, geschweige denn diskutiert. Warum sagen Sie und andere Räte der „bunten Koalition“ – ich nehme den Begriff von Herrn Gerber auf – den Wählern nicht gleich die Wahrheit?

    Verantwortung übernehmen

    Sie tragen als 2. Bürgermeisterin die Verantwortung, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde zu handeln, d.h. unter anderem die aktuell sehr schwierige Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen. Das geschieht sicher nicht durch eine weitere Beschränkung, sondern durch weitere und bessere Angebote für Einheimische. Die Gemeinde allein darf und kann Baugrund ausweisen.

    Die Lage auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt hat sich in den letzten Jahren wieder dramatisch verschärft. Ein Grund: auch in den letzten 3 Jahren wurde nichts Zukunftsweisendes auf die Beine gestellt. Bisher wurden nicht mal die Baugebiete, die schon fertig geplant waren, umgesetzt, obwohl die Einnahmen daraus schon 2017 im Haushalt eingeplant wurden.

    Es stimmt, die Pandemie wirkt sich auf die Wirtschaft und uns alle in der einen oder anderen Weise aus. Aber die Bürger sind mündig genug, um zu wissen, was sie sich auf dem Immobilienmarkt leisten können und was nicht. Die Finanzierung eines Hauses oder Wohnung ist neben den eigenen Einkommensgrenzen u.a. durch Forderungen der Gemeinde bestimmt. Die Eigenmittel und Beleihung dürfen nicht festgelegte Grenzen übersteigen, das wurde in den Kriterien für die Vergabe festgelegt. Das passt hier nicht zusammen.

    Bezahlbares Wohnen – Wien und andere Beispiele

    Das Wiener Modell wurde bitte auch anderswo auf der Welt, z.B. in Vancouver, Kanada, übernommen. Dort gab es ganz andere Voraussetzungen als in Wien, aber dort war das Ziel klar – bezahlbares Wohnen. Den Mut und die finanziellen Mittel muss man aber aufbringen, ja aufbringen wollen. Auch in Eching. Das sind politische Entscheidungen, die Sie in die Wege leiten könnten und bitte möchten.

    Zum Wiener Modell können Sie gern nachsehen unter:
    http://www.vienna-model.at/de/das-wiener-modell-aedes
    „Das Wiener Modell – Wohnbau für die Stadt des 21. Jahrhunderts“, Jovis Verlag.

    Eching besitzt Grundstücke, die sich dafür eignen. Die Grundstücke für den Geschosswohnungsbau hinter Rewe sind bis heute meines Wissens noch nicht verkauft worden. Sie als 2. Bürgermeisterin können den Schritt machen und neue Wege vorschlagen, wenn andere im Rat den Mut dazu nicht aufbringen.

    Frau Roswitha Kurz gebe ich vollkommen Recht, sie hat die Auswirkungen der zögerlichen Politik der letzten Jahre dargestellt: Die Umsetzung der schon unter BM Riemensberger geplanten Projekte geht sehr zögerlich voran. Die Folge ist: Die Preise steigen in astronomische Höhen. Der Wegzug derjenigen Bürger, die wir in der Gemeinde halten wollen und sollten, schmerzt auch mich sehr. Außerdem sind es Bürger im produktiven Alter und wichtige Steuerzahler. Der Zusammenhalt in den Familien ist mir so wie Frau Kurz aber sehr wichtig. Die räumliche Nähe der Kinder und Enkel zu ermöglichen, ist auch bei der Ausweisung neuer Baugebiete entscheidend. Dieses Kriterium ist auch im Gremium aufgestellt worden. Wenn die Baugebiete nicht umgesetzt werden, leiden alle – Familien, Ältere und Kinder.

    Für diese zögerliche Politik ist nicht die Corona verantwortlich.

    So wie bei Roswitha Kurz ist anderen Bürgern eine Verwurzelung in der Gemeinde wichtig, denn sie schafft Zusammenhalt der Familien und menschliche Nähe. Dazu gehört auch, dass man sich ein – kleines – Grundstück kaufen kann und darf. Wir wollen und können doch nicht noch mehr ältere Mitbürger in Alten- und Pflegeheimen unterbringen. Die Älteren wollen so lange wie möglich selbständig und zuhause bleiben. Die Vereinsamung in solchen Einrichtungen ist trotz aller Bemühungen groß, viele fühlen sich dort abgeschoben. Weitere unvorhergesehene Probleme kommen mit der Corona aktuell dazu. So sieht eine Wertschätzung der Lebensleistung der älteren Generation nicht aus.

    Lenkungsmöglichkeiten der Gemeinde

    Die Sperrklauseln (z.B. 10 bis 15 Jahre nur eigene Nutzung der Immobilie) hat die Gemeinde zig-fach in ihren Verträgen schon angewendet, in allen früheren Projekten im Rahmen des Echinger-/Einheimischen-Modells. Das hat auch funktioniert – wo ist dann das Problem? Dieses kann doch in die Kaufverträge eingebracht werden. Wenn Sie hier auch keine Spekulation erkennen, sehe ich keinen Grund, von dieser Praxis abzuweichen.

    Was sollen wir uns unter: „Die Ausstattung der Erbbauverträge … muss meines Erachtens vor dem neuen Hintergrund der Ausschließlichkeit im Sinne der Erbbauchrechtnehmer*innen überdacht werden“ vorstellen? Das ist bitte für den Bauwerber und Wohnungssuchenden keine klare Aussage.

    Ein verbrieftes Recht auf Erwerb eines Erbbaugrundstücks am Ende der Laufzeit würden Sie nicht aufnehmen. Warum nicht? Und Warum nicht nach einer gewissen Zeit, wenn sich die Möglichkeit eines Kaufes ergeben sollte? Die Gemeinde erzielt Jahrzehnte sichere Einnahmen und gar Gewinne aus der Erbpacht. Die theoretische Möglichkeit eines Erbbau-Grundstückserwerbs gab es bis vor 3 Jahren. Jetzt „braucht“ die Gemeinde diese Einnahmen, wie BM erläuterte. Sie persönlich würden den Erwerb eines Erbbaugrundstücks per se nicht ausschließen. Genau das ist aber der Stand heute!

    Sie und der Rat sollten mit den Erbbaunehmern und Erbbauzinszahlern fair umgehen und nicht einseitig, ohne Ankündigung, Rücksprache und ohne Einverständnis der bisherigen Vertragspartner die Bedingungen und mündlichen Zusagen von heute auf morgen ändern. Das schafft kein Vertrauen.

    Raus aus der Sackgasse

    Es ist löblich, dass Sie „langfristig mehr Spielraum für die Realisierung von Wohnungsbau für künftige Generationen“ haben wollen. Die bisher geschlossenen Erbbauverträge wurden auf 99 bzw. 75 Jahre geschlossen. Je nach Baugebiet würde die Gemeinde theoretisch auf die Grundstücke in den Jahren 2085, 2095 oder eines etwas früher zurückgreifen können. Soll das der gewünschte Weg sein, die Grundstücke neu zu verwerten? Sicher keine Lösung für die jetzige Zeit und die heutigen Bauwilligen.

    Diesen Baugrund nach Ablauf des Erbbaurechts für die Gemeinde zu beanspruchen ohne Rücksicht auf die bisherigen Erbbaunehmerer, erscheint nicht nur mir ungerecht. Eine faire Partnerschaft zwischen der Gemeinde und den Vertragspartnern sieht sicher anders aus. Dieser Weg ist milde gesagt eine Sackgasse.

    Baugrund kann einzig und allein die Gemeinde ausweisen. Handeln, d.h. die Bürger bauen lassen, und bezahlbaren Wohnraum schaffen, ist aber jetzt angesagt. In 50 Jahren sieht sicher die Welt anders aus und wer dann die Geschicke der Gemeinde lenkt, steht in den Sternen.

    Jetzt steht im Rahmen der Aktualisierung des Gemeindeentwicklungsprogramms (GEP), was vom Ersten BM angekündigt wurde, an, die Zusagen aus dem Wahlprogramm umzusetzen. Neben anderen Bauformen ist ein Geschoßwohnungsbau wichtig und nötig, das gibt es auch im Wiener Modell. Die Gemeinde und der Gemeinderat hat vor Jahren schon mit einigen Genossenschaften gesprochen, hat sich deren Modelle erörtern lassen. Gehandelt wurde vom BM Thaler nicht. Bezahlbare Mieten sind genauso wichtig wie andere Wohnformen. Ein ökologisches Bauen ist auch in Bayern möglich. Aber: richtiges und schnelles Handeln in Eching ist jetzt dringend nötig.

    Ich wünsche Ihnen Mut auf diesem Weg.

    Dr. Irena Hirschmann

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