Voller Trauer müssen wir wahrnehmen und verarbeiten, dass Dr. Joachim Enßlin, Ehrenbürger der Gemeinde Eching, unser lieber Jockel, verstorben ist.
Für viele von uns war er Mentor und Vorbild. Und ein guter Freund, der eine entsetzliche Lücke hinterlässt.
20 Jahre war Dr. Joachim Enßlin Erster Bürgermeister der Gemeinde Eching – und was für einer! Ein sozialdemokratischer Bürgermeister durch und durch, für den immer das Gemeinwohl an erster Stelle stand. Ein Bürgermeister, der offen und zugänglich war, den die Leute mochten, weil sie merkten, dass er zuhörte und ihnen zugewandt war. Jockel war ein Mensch, der auch deshalb noch Jahrzehnte nach dem Amt so beliebt war, weil er sich für seine Mitmenschen interessierte.
Joachim Enßlin war ein geschickter Bürgermeister: Er verstand es, die Chancen, die sich der stark wachsenden Gemeinde boten, auf das Vielfältigste zu nutzen. Er war ein hoch angesehener und respektierter Bürgermeister – ein ausgezeichneter Verwaltungsjurist, der mit seiner Kompetenz, Intelligenz und Rhetorik beeindruckte. Jockel verstand es, uns und andere mitzureißen und zu begeistern. Dabei halfen ihm sein Charme und Humor.
Am beeindruckendsten war aber vielleicht seine Tatkraft – er war ein Macher. Gute Gedanken wurden erst dann richtig gut, wenn sie in die Tat umgesetzt wurden. Die Vielzahl der Initiativen, Modelle, Einrichtungen und Lösungen in Eching, die mit seinem Namen verbunden sind, lässt sich kaum aufzählen – aber wir wollen es probieren. Nicht jede davon mag alleine oder zuerst seine Idee gewesen sein (viele schon), aber immer war entscheidend, dass und wie er sich Projekte zu eigen machte und sie anging.
Unter seiner Ägide entstanden etwa das Echinger Bürgerhaus als Zentrum für kulturelle Veranstaltungen wie auch für Echinger Organisationen und Vereine, die Musikschule, die Volkshochschule, das Jugendzentrum, die Tennishalle, das Feuerwehrhaus mit Bürgersaal in Dietersheim. Das Alten-Service-Zentrum sowie dessen Trägerverein „Älter werden in Eching“ wurden auf den Weg gebracht.
Es gab Kulturfeste auf dem Bürgerplatz, eine französische Revolutionsnacht zum Beispiel oder eine italienische Nacht mit Einbeziehung der Patengemeinde Trezzano sul Naviglio.
Sein Gerechtigkeitssinn und seine Offenheit für Kulturen und Menschen spiegeln sich auch in der Gründung des Arbeitskreises Entwicklungshilfe wider, der ihm über Jahrzehnte ein wichtiges Anliegen blieb.
Er schuf das Echinger Baulandmodell, bei dem im Sinne des Gemeinwohls leistungslose (Planungs-)Gewinne dadurch teilweise abgeschöpft wurden, dass der günstige Ankauf der Hälfte des Nettobaulandes sowie der Infrastrukturflächen zur Voraussetzung für die Baulandausweisung gemacht wurde und entstehender Baugrund für Eigenheime nach sozialen Kriterien günstig im Erbbaurecht vergeben wurde – ein Modell, das bundesweit Nachahmer fand.
Umgesetzt wurde das Modell dann in Baugebieten, bei denen sowohl auf die Gestaltung des Ortsbildes als auch auf die Mischung von Eigenheimen, Mietwohnungen und sozialem Wohnungsbau höchster Wert gelegt wurde. Die Qualität wurde unter anderem durch Architekten- und Planerwettbewerbe gesichert.
Der „grüne Jockel“, wie er damals genannt wurde, sorgte überall für Baumpflanzungen, für eine Baumschutzverordnung, für einen Grüngürtel um die Gemeinde inklusive Schaffung des Freizeitgeländes mit Verbindung zum Echinger See und der Kleingartenanlage.
Kindergartenplätze für alle gab es viele Jahre, bevor das irgendwann Gesetz wurde. Die Gemeinde wurde zur „Mustergemeinde“, gewann Preis um Preis, z. B. bei der Initiative „Stadt für Kinder – Stadt für alle“.
An herausgehobener Stelle zu nennen ist die Abwehr des geplanten Standortübungsplatzes der Bundeswehr. Diese damals im Geheimen von der Bundeswehr geplante und von den Planungsbehörden bereits genehmigte Einrichtung wäre für den Lebenswert Echings ein tiefer Einschnitt gewesen.
Es brauchte einen wie Dr. Joachim Enßlin, um diesen eigentlich aussichtslosen Kampf mit der Bundeswehr zu gewinnen. Den Kampf führte er auf vielfältige Weise: Die Rechtmäßigkeit des Planungsverfahrens griff er juristisch an, er brachte eine alternative Positivplanung auf den Weg, in die er die benachbarten Gemeinden einband. Er organisierte eine Großdemonstration der Bürger*innen dieser Gemeinden.
Zu dieser Positivplanung mit Naherholungs- und Naturschutzgebieten gehört auch der Hollerner See. Wenn wir heute diesen See mit seinen Anlagen genießen, dürfen wir uns daran erinnern, dass das ein „sozialdemokratisches Projekt“ ist, wie Jockel bei einem Treffen dort vor wenigen Wochen noch hervorhob. Auch die NordAllianz hat ihre Wurzeln in diesem Abwehrkampf.
Nach der Bürgermeistertätigkeit war Dr. Joachim Enßlin zehn Jahre Manager der Münchner Messe, verantwortlich etwa für die damalige Computermesse „Systems“. Bald nach der Messetätigkeit fing er an, sein Französisch wieder aufzufrischen: Auf Vermittlung des bayerischen Wirtschaftsministeriums wurde er nämlich Berater des damaligen Präsidenten von Madagaskar, Marc Ravalomanana.
So war es ihm unter anderem vergönnt, dort beim Verwaltungsaufbau zu helfen, eine grüne Leitlinie für die Entwicklung Madagaskars mit auf den Weg zu bringen, Reden für den Präsidenten zu schreiben und an der Vollversammlung der Vereinten Nationen teilzunehmen.
In den letzten Jahren brachte er sich erneut sehr stark in die Arbeit des SPD-Ortsvereins ein, half bei der Bildung eines schlagkräftigen Vorstandsteams, beeinflusste die Programmgestaltung, bestimmte die Strategie mit, arbeitete kräftig mit an der Kandidatenfindung und dem Wahlkampf für das Bürgermeisteramt und war froh und stolz, erneut dazu beigetragen zu haben, Eching in guten Händen zu wissen.
Für uns war diese Zusammenarbeit auch persönlich immer eine Bereicherung. Die Empathie, die Hilfsbereitschaft, die Klarheit, die Freude und der Humor, mit denen er uns begegnete, werden uns unheimlich fehlen.
Unsere Gemeinde und unser SPD-Ortsverein haben Jockel Enßlin viel zu verdanken. Er war ein großer Sozialdemokrat. Wir werden ihn sehr vermissen.
Für die SPD Eching: Carsten Seiffert