Die Gemeinde Eching trauert um ihren langjährigen Ersten Bürgermeister und Ehrenbürger Dr. Joachim Enßlin, der am 16. April im Alter von 78 Jahren von uns gegangen ist.
Als Erster Bürgermeister lenkte Dr. Enßlin von 1972 bis 1992 die Geschicke unserer Gemeinde und entwickelte Eching zu einer prosperierenden und bundesweit prämierten Mustergemeinde.
Viele soziale und kulturelle Einrichtungen haben wir seinem Weitblick zu verdanken: Bürgerhaus, Alten-Service-Zentrum, Musikschule, Volkshochschule, Jugendzentrum, Dreifachturnhalle, Gemeindebücherei, Südfriedhof, Feuerwehrhaus mit Bürgersaal in Dietersheim, mehrere Kindertagesstätten und vieles mehr. Grundlage dieser Errungenschaften war das von ihm initiierte Gemeindeentwicklungsprogramm.
Dr. Enßlin setzte sich zeitlebens für eine naturnahe Ortsgestaltung und eine soziale Wohnraumentwicklung ein. Er entwickelte ein soziales Baulandmodell, auf dessen Grundlage mehr als 300 Reihenhäuser für junge Familien und an die 100 Sozialwohnungen entstanden.
Besonders stolz konnte „Jockel“ Enßlin auf die aus seiner Feder stammende Gestaltung des Echinger Freizeitgeländes mit dem Echinger See und der Tennisanlage samt Tennishalle sein. Für dieses Naherholungsgebiet ist unsere Gemeinde im gesamten Münchner Umland bekannt und ein beliebter Bade- und Ausflugsort.
Ein Grüngürtel um die Gemeinde mit Streuobstwiesen und einer Kleingartenanlage runden sein Werk ab. Zur Halbzeit der Ära Enßlin, wurde Eching 1982 in einem bundesweiten Wettbewerb herausragender Kommunen zur „Mustergemeinde“ gekürt.
Weit über die Gemeindegrenzen setzte sich Joachim Enßlin für eine lebenswerte und nachhaltige Entwicklung des gesamten Münchner Nordens ein. Auf seine Initiative wurden die Nordallianz und der Heideflächenverein gegründet. Beide Organisationen verfolgen das Ziel, die Lebensqualität für die Bevölkerung im Münchner Norden zu steigern.
Seinem erfolgreichen Kampf gegen die Ansiedlung von Negativeinrichtungen wie einer Mülldeponie auf Echinger Gemeindegebiet oder eines Standortübungsplatzes haben wir das Naturschutzgebiet Mallertshofer Holz mit Heiden sowie das zwischenzeitlich fertiggestellte Naherholungsgebiet um den Hollerner See zu verdanken.
Sein unermüdliches Engagement für den Naturschutz brachte dem politisch gesehen „roten Jockel“ nicht nur den liebevollen Spitznamen „grüner Jockel“ ein, ihm wurde zudem als erstem bayerischem Bürgermeister die Umweltmedaille des Freistaats verliehen.
Enßlin entwickelte das Echinger Baulandmodell, nach dem sich die Gemeinde bei der Ausweisung von Neubaugebieten 50 % des Nettobaulands zu einem vergünstigten Preis sichert. Diese Vergünstigung wird dann an die nach sozialen Kriterien ausgewählten Familien in Form eines vergünstigten Erbbauzinses weitergegeben. Mehr als 300 Reihenhäuser und an die 100 Sozialwohnungen sind auf diese Weise in seiner Zeit entstanden.
Dieses Modell findet in seinen Grundsätzen auch bei heutigen Baulandvergaben noch Anwendung und wurde seither von zahlreichen Kommunen kopiert. Der fachlichen Kompetenz des promovierten Juristen Dr. Enßlin ist es zu verdanken, dass dieses „Echinger Baulandmodell“ und die vertraglichen Regelungen der damit verbundenen Erbbaurechtsverträge bisher allen gerichtlichen Entscheidungen standhielten.
Ein persönliches Anliegen war ihm stets die städteplanerische Gestaltung der Wohnquartiere mit einem gesunden sozialen Mix. Sozialwohnungen wurden nicht isoliert situiert, sondern inmitten der Reihenhaussiedlungen geschickt integriert, um soziale Fronten abzubauen. Den Baugebieten „Dichterviertel“, „westlich der Frühlingstraße“ und „Schachterlhausen“ drückte er mit dieser Maxime nachhaltig seinen Stempel auf.
Die auf seine Initiative hin durchgeführten Architektur-Wettbewerbe bei Wohngebieten und kommunalen Gebäuden verleihen unserem Ortsbild bis heute einen charakteristischen Charme.
In allen drei Wiederwahlen wurde der angesehene und respektierte Bürgermeister Enßlin mit einer überwältigenden Mehrheit einhellig wiedergewählt.
Nachdem er der Gemeinde 20 Jahre als Bürgermeister gedient hatte, entschied er sich für den Wechsel in die Privatwirtschaft und stand fortan der Messe München als Geschäftsführer vor. Selbst in seinem vermeintlichen Ruhestand beriet er den Präsidenten Madagaskars, für den er unter anderem Reden in französischer und englischer Sprache zum Vortrag vor den Vereinten Nationen oder anderen internationalen Gremien formulierte.
Auch in seiner Freizeit engagierte er sich ehrenamtlich für Entwicklungshilfeprojekte, allen voran den Brunnenbau zur Trinkwasserversorgung in Peru und Madagaskar. 1986 gründete er hierfür mit weiteren engagierten Bürgerinnen und Bürgern den Arbeitskreis Entwicklungshilfe Eching.
Für Jockel Enßlin stand immer das Gemeinwohl im Vordergrund. Er war ein begeisterter Europäer mit einem breiten Interesse für andere Kulturen, der sich allerorts und zu jeder Zeit für eine offene Gesellschaft und für demokratische Grundwerte einsetzte.
Als Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Eching haben wir Dr. Joachim Enßlin sehr viel zu verdanken: Er war ein brillanter Verwaltungsjurist und geschickter Bürgermeister, der es verstand, Gelegenheiten, die sich der Gemeinde boten, immer direkt beim Schopfe zu packen. Er war ein Visionär mit Tatkraft und Umsetzungsstärke, der unsere Gemeinde zu einem lebenswerten Wohnort entwickelt hat.
Er war ein hervorragender Rhetoriker mit elegantem Humor, der es verstand, Menschen zu begeistern. Er war ein allseits hoch geschätzter Mitmensch mit einem hohen Maß an sozialer Intelligenz, dem es stets gelang, andere für seine Ideen zu gewinnen.
Im Namen der politischen Gemeinde, im Namen der Echinger Bürgerinnen und Bürger und nicht zuletzt ganz persönlich möchte ich unserem Ehrenbürger Dr. Joachim Enßlin, möchte ich Dir, lieber Jockel, für Dein Lebenswerk von Herzen danken.
Sebastian Thaler, Bürgermeister