Lesermail zum Artikel „Gemeinderat setzt keinen Bürgerentscheid an“

Lieber Herr Gerber,

unser gemeinsamer Freund Joachim Enßlin würde sich sicher nicht freuen, wenn wir jetzt in seinem Namen streiten, statt immer wieder neu nach Gemeinsamkeiten zu suchen und Wege der Zusammenarbeit zu finden. Lassen Sie uns die Diskussion doch bitte auf der Sachebene führen.

Ich muss hier eines kurz klar stellen, weil ja nicht jede(r) dabei war: Die Vergabe ist im Laufe der Zeit mehrfach verändert worden. Die Grundstücke im Baugebiet „Schachterlhausen“ waren im Verkauf. In den Baugebieten nördlich der Kleiststraße (1985) sowie westlich der Frühlingstraße (1990/91) war dann auf Vergabe im Erbbaurecht umgestellt worden. Später wurde vermehrt Verkauf zugelassen, auch nachträglich wurden Grundstücke, die ursprünglich im Erbbaurecht vergeben worden waren, verkauft.

Angesichts der in den letzten Jahren geradezu explodierten Bodenpreise halten wir die Vergabe im Erbbaurecht für den richtigen Weg, aus drei Gründen:

1) Grundstücke, die im Eigentum der Gemeinde verbleiben, werden dauerhaft der Bodenspekulation entzogen (vergleichbar dem Wiener Modell) und können so auch zukünftig (bei Verkauf oder Ablauf des Erbbaurechts) erneut günstig zur Verfügung gestellt werden. Beim Grundstücksverkauf ist das nicht so, Gerichtsentscheidungen limitieren die Sozialbindung auf manchmal zehn, höchstens fünfzehn Jahre. Danach kann eine rechnerische Vergünstigung von etwa 200.000 EUR gegenüber dem Marktwert als Gewinn realisiert werden. Das sollte unserer Überzeugung nach nicht Ziel der Gemeindepolitik sein.

2) Die Kreditsumme, die Bauwerber aufnehmen müssen, reduziert sich bei Vergabe im Erbbaurecht drastisch. Damit reduziert sich auch die monatliche Tilgungs-Belastung drastisch. Der Erwerb von Wohneigentum wird damit erleichtert.

3) Erbpachteinnahmen kommen dauerhaft dem Verwaltungshaushalt und damit nachhaltig der Leistungsfähigkeit der Gemeinde zugute, statt mit den Grundstücken einen Teil des „Tafelsilbers“ zu verkaufen und nur kurzfristig einen großen Zufluss im Vermögenshaushalt zu generieren.

Ich respektiere, dass Sie einen anderen Weg für richtig halten.

Herzliche Grüße,
Carsten Seiffert, Sprecher der SPD-Fraktion im Gemeinderat

Ein Lesermail

  1. Lieber Herr Seifert,

    ich möchte hier nochmal auf ihre Argumentationspunkte eingehen und habe noch ein paar Fragen an Sie.

    1) Mit diesem Punkt unterstellen Sie allen Bewerbern, die auf einen Grundstückskauf abzielen, indirekt, dies aus reiner Profitgier zu tun, um das Grundstück nach der Bindungsfrist gewinnbringend zu veräußern. Demnach müsste der prozentuale Anteil von Grundstücksverkäufen aus den zuletzt realisierten Baugebieten nach der Bindungsfrist exorbitant hoch sein. Ist dies wirklich der Fall? Können Sie hierzu die entsprechenden Statistiken der Gemeinde für eines der von Ihnen zitierten Baugebiete vorlegen?

    2) Die Kreditsumme reduziert sich erheblich, da muss ich Ihnen Recht geben. Die monatliche Gesamtbelastung reduziert sich aus meiner Sicht aber nicht drastisch. Hier dazu ein Rechenbeispiel, welches bei einer Bank angefragt wurde:
    Grundstück in Eching-West mit 250 qm und fiktiven Kosten für den Hausbau von 400.000 €.
    Darlehenslaufzeit/Zinsbindung: 25 Jahre.

    Erbpacht-Modell:
    250 qm x 12,15 € (Erbpachtzins abzgl. Abschlag/ohne Erschließungskosten) = 3.037,50 € : 12 = 253,13 € monatlicher Erbpachtzins
    Erschließungskosten 180 € x 250 qm = 45.000 € + Kosten Hausbau 400.000 € = Darlehenssumme 445.000 € mit Laufzeit von 25 Jahren und einem Zinssatzangebot der Bank von 1,95 % = 1.875,34 € monatliche Tilgung
    Gesamtbelastung monatlich 2.128,47 €

    Erwerbs-Modell:
    250 qm x 1.500 € (Bodenrichtwert inkl. Erschließungskosten) = 375.000 € abzgl. Abschlag von 40 % = 225.000 € + Kosten Hausbau 400.000 € = Darlehenssumme 625.000 € mit Laufzeit von 25 Jahren und einem Zinssatzangebot der Bank von 1,25 % = 2.426,86 €
    Gesamtbelastung monatlich 2.426,86 €

    Die errechnete Differenz beträgt somit 298,39 € monatlich und stellt meiner Ansicht nach keine drastische Reduzierung dar.

    Es bleibt noch anzumerken, dass nach Auskunft der Bank die Zinssätze unterschiedlich angeboten werden, je nachdem ob das Grundstück in den Besitz des Kreditnehmers übergeht oder nicht.

    Hier bleibt noch zu erwähnen, dass nach Ablauf der 25 Jahre keine weitere monatliche Belastung mehr auf die Erwerber zukommt. Im Erbpacht-Modell muss weiterhin der Erbpachtzins von aktuell monatlich 253,13 € (Tendenz in den nächsten Jahren eher steigend) bezahlt werden. Dies ist eine erhebliche Zusatzbelastung im Alter. Hier wird das Einkommen durch den Renteneintritt meist deutlich geringer.

    3) Die Erbpachteinnahmen gleichen den kurzfristigen Zufluss bei einem Verkauf nach ca. 65 Jahren aus. Anschließend generiert die Gemeinde zusätzliche Einnahmen. Können Sie bitte beziffern, wie hoch die Verwaltungskosten der Grundstücke durch die Gemeinde in diesen ersten 65 Jahren sind? Dies müsste den Einnahmen auf jeden Fall gegenüber gestellt werden. Genauso wie die Kosten für Gutachter und Gerichtskosten bei Streitigkeiten, zum Beispiel wenn ein Haus verkauft werden soll und der Angebotspreis über dem möglichen Verkehrswert liegt.

    Abschließend noch eine letzte Frage, die ungeklärt ist: Was passiert bei einer möglichen Privatinsolvenz eines Erbpachtnehmers?

    Herzliche Grüße,
    Florian Gerber

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