Lesermail zum Artikel „Wann ist ein Bürgermeister Bürgermeister?“

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt und Ex-Gemeinderatsmitglied Böhm,

eigentlich wollte ich mich in der echinger-zeitung.de mit weiteren Lesermails in der Causa Sebastian Thaler zurückhalten. Ihre heutige Lesermail zwingt mich jedoch, von meinem Vorsatz abzuweichen.

Fangen wir also an:
1.) Sie mutmaßen über „Scharfmacher“, deren Druck sich die Staatsanwaltschaft möglicherweise beugt. Haben Sie für Ihre These auch irgendwelche Beweise? Sie sind bekanntlich Volljurist und müssten eigentlich wissen, dass die Staatsanwaltschaft nur dann ein förmliches Ermittlungsverfahren einleitet, wenn es einen hinreichenden Anfangsverdacht auf eine Straftat gibt. Falls eine Anzeige substanzlos ist, wird das Ermittlungsverfahren überhaupt nicht eröffnet (Beispiel: Sebastian Thaler stellte 2018 Strafanzeige wg. Körperverletzung gegen den beteiligten Autofahrer. Die Staatsanwaltschaft kam nach sehr kurzer Zeit (exakt: nach einer Woche) jedoch zu der Auffassung, dass Thalers Anzeige substanzlos ist und teilte ihm dies umgehend mit). Glauben Sie also ernsthaft, dass irgendein Staatsanwalt in Deutschland mit einem Großaufgebot an Polizisten ein Rathaus durchsucht, ohne einen hinreichenden Anfangsverdacht auf eine Straftat zu haben?

2.) Sie verwechseln Ursache und Wirkung, wenn Sie meinen, der (die?) Anzeige-Erstatter würde der Gemeinde Kosten verursachen: Nicht der Anzeige-Erstatter, sondern der mögliche Straftäter verursacht(e) (unnötige) Kosten. Frage: Wo kämen wir denn hin, wenn jeder, der eine Straftat vermutet und diese bei der Polizei oder bei der Staatsanwaltschaft anzeigt, als Kostenverursacher öffentlich gebrandmarkt wird?

3.) Nach meinem Kenntnisstand wurde (wird?) dem ältesten Gemeinderatsmitglied Heinz Müller-Saala (FDP) bis dato keine Akteneinsicht in die in Zusammenhang mit Thalers Rauferei am Echinger See entstandenen und von der Gemeinde bezahlten Kosten gewährt. Seltsam, nicht wahr? Wie heißt nochmal der Chef der Gemeindeverwaltung? Sebastian Thaler.

4.) Ich habe allergrößtes Verständnis dafür, dass Sie jetzt versuchen, Sebastian Thaler „reinzuwaschen“, denn schließlich sind auch Sie bei der Abstimmung im Gemeinderat, ob die entstandenen Kosten von der Gemeinde (besser: vom Echinger Steuerzahler) übernommen werden, auf den „Persilschein“, den Gemeindejustiziar Siebeck unserem 1. Bürgermeister ausgestellt hat, reingefallen (Siebeck meinte bekanntlich, dass Thaler die Befugnis zum Eingreifen gehabt hätte). Warum stellen Sie überhaupt das Urteil des Landgericht Landshut (Az.: 44 O 983/19 vom 24.07.20) infrage (im Urteil steht (auf Seite 10) unmissverständlich, dass Thaler keinerlei Befugnis zum Maßregeln des beteiligten Autofahrers hatte, weil dafür ausschließlich die Polizei zuständig ist)? Übrigens: Sebastian Thaler hat dieses Urteil am 13.01.21 akzeptiert (da hat er seine Revision beim OLG München auf Anraten von zwei Richterinnen und einem Richter zurückgezogen; Az: 20 U 5142/20 vom 19.11.20), so dass das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig wurde und keinerlei Interpretationsspielräume mehr zulässt (sollten Sie als Volljurist eigentlich erkennen).

Warum also haben Sie nicht vor der Abstimmung im Gemeiderat beantragt, mit der Entscheidung einer Kostenübernahme solange abzuwarten, bis Ihnen (und allen anderen Gemeinderät*innen) auch das Urteil des LG Landshut als Entscheidungsgrundlage von Bgm. Thaler vorgelegt wird? Es war in Eching ja hinreichend bekannt, dass die Rauferei ein juristisches Nachspiel hat, oder etwa nicht?

Gerade von einem Volljuristen wie Ihnen darf der Echinger (steuerzahlende) Bürger doch wohl erwarten dürfen, dass Sie bei Ihrer Entscheidung, ob die Gemeinde die von Thaler verursachten Kosten (sicherlich ein fünfstelliger €-Betrag) übernimmt oder nicht, sehr sorgsam sind und nicht nur auf eine einseitige Stellungnahme des Gemeindejustiziars vertrauen, oder? Wie heißt nochmal der Auftraggeber der Stellungnahme? Sebastian Thaler (oder einer seiner Stellvertreter).

5.) Sehr gut, dass Sie § 138 BGB (Sittenwidrigkeit von Geschäften) erwähnen.

Nach meinem Kenntnisstand wurde Sebastian und Marlen Thalers Immobiliendeal mittlerweile wieder rückabgewickelt (Quelle: https://freising.news/echings-1-buergermeister-sebastian-thaler-weitere-ermittlungen-wegen-privaten-immobiliengeschaeften/ ). freising-news berichtet, dass das Ehepaar Thaler mit dem betagten Senior, kurz nachdem dieser einen Schlaganfall erlitten hatte, zum Notartermin nach Neuburg a.d. Donau gefahren ist, um den Wohnungskauf beurkunden zu lassen. Natürlich ist es nicht strafbewehrt, einen todkranken Mann durch halb Bayern zum Notartermin zu kutschieren, moralisch verwerflich – hoffentlich unstrittig – aber schon. Gibt es im Großraum München/Freising etwa keine Notare, die einen Immobilienverkauf bzw. – kauf beurkunden dürfen?

Kennen Sie die näheren Hintergründe der Rückabwicklung oder beschränkt sich Ihre Lesermail in diesem Punkt nur auf Mutmaßungen? Und glauben Sie etwa, dass das Ehepaar Thaler den zitierten Bericht nicht schon längst per einstweiliger Verfügung hätte aus dem Internet entfernen lassen, wenn die Behauptungen in freising.news substanzlos wären?

Mein Fazit: Mit Ihrer heutigen Lesermail haben Sie ein Eigentor vom Allerfeinsten geschossen und Ihrem Berufsstand sicherlich nicht zur Ehre gereicht.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Guido Langenstück (kein Jurist, sondern Maschinenbau-Ingenieur)

Lesermail verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert