Am Rande: Ein Drama ohne Ende

Im Juli hat die Staatsanwaltschaft Landshut das Echinger Rathaus durchsucht. Seitdem wurde durch Recherchen unterschiedlicher Medien bekannt, dass zwei juristische Ermittlungen gegen Bürgermeister Sebastian Thaler laufen, und Inhalte beider untersuchter Vorgänge wurden publik.

Seitdem sind 15 Wochen, mithin fast vier Monate, vergangen – und weiterhin schweigen alle Beteiligten. Die Staatsanwaltschaft gibt keinerlei Informationen, der Bürgermeister verweigert jede Stellungnahme – und der Gemeinderat versagt kollektiv.

Die Standardausrede von Bürgermeister und Gemeinderat, nicht in ein laufendes Verfahren eingreifen zu wollen, geht hier doch völlig am Thema vorbei. Ist es denn anhand der mittlerweile nachlesbaren Fakten überhaupt noch erheblich, ob irgendwas davon strafrechtlich relevant ist?

Das Strafrecht hat andere Grenzwerte und Parameter als es Anstand, Moral oder die Eignung für ein öffentliches Amt haben.

Hat denn das sich mittlerweile abzeichnende Verhalten des Bürgermeisters nicht auch eine politische Komponente, die der Gemeinderat sehr wohl hinterfragen könnte, ja müsste?

Wenn jetzt die Staatsanwaltschaft zur rechtlichen Bewertung käme, dass beim Wohnungskauf des Bürgermeisters kein strafrechtlicher Tatbestand vorläge – ist es dann gut, was er gemacht hat?

(Ein bizarres Beispiel: In einer kleinen Landgemeinde 30 Kilometer von Eching hat der vormalige Bürgermeister nachweislich mehrfach Frauen unter die Röcke fotografiert, auf öffentlichen Toiletten, an U-Bahn-Rolltreppen. Der Vorgang war nicht strafrechtlich relevant, weil derartiges „Spannen“ damals kein Straftatbestand war. Nach Echinger Logik also alles gut? Kein Strafverfahren, also kein Fehlverhalten?)

Zu bewerten sind doch auch jetzt schon die Fragen von Anstand, Einstellung und Amtsverständnis, die hinter den Vorgängen stecken und auch hinter dem Schweigen, das sie begleitet.

Wer soll denn diese Diskussion führen oder diese Einordnung treffen, wenn nicht ein Gemeinderat oder zumindest die politischen Gruppierungen? Sind dafür nur die Kommentare und Lesermails auf der echinger-zeitung.de da?

Was bisher geschah

Nach allem, was bisher in unterschiedlichen Medien zu lesen war, stellen sich die fraglichen Vorgänge so dar:

Sebastian Thaler hat gemeinsam mit seiner Ehefrau Anfang 2020 eine Wohnung erworben, von der er zweifellos wissen musste, dass sie vom Voreigentümer bisher dazu bestimmt war, nach seinem Tod an die Gemeinde Eching vererbt zu werden.

Die Thalers zahlten dafür einen Preis, der mit einer Differenz von annähernd 50 Prozent unter dem Marktpreis gelegen zu haben scheint. Damit wäre faktisch die Gemeinde im Erbfall, der wenige Wochen später eintrat, um mehrere 100.000 Euro geschädigt worden.

Der Kaufvorgang soll bei einem Notar in Neuburg beurkundet worden sein mit dem Sperrvermerk, den Verkauf bei der Gemeinde Eching nicht vor 31.03.20 anzuzeigen. Am 16.03.20 war Kommunalwahl, am 30.03. wäre eine eventuelle Stichwahl gewesen.

Wenn diese Fakten so stimmen: Braucht es da eine staatsanwaltschaftliche Beurteilung des Strafrechts, um zu bemessen, ob so ein Verhalten von einem Bürgermeister tragbar ist?

Und wenn irgendwas an dieser Darstellung nicht stimmt – warum erzählt Thaler nicht seine Geschichte? Gibt es irgendeinen Gedankenansatz, warum jemand, dem Unrecht getan wird, dies nicht richtigstellen sollte, wenn er andauernd danach gefragt wird?

Bei der Affäre um die Prozesskosten im Verfahren um die Auseinandersetzung 2018 am Echinger See stellt es sich so dar, dass Thaler offenbar alle Anwalts- und Verfahrenskosten mehrere Monate von der Gemeinde begleichen ließ. Erst als die örtliche Rechnungsprüfung auf die Vorgänge aufmerksam wurde, ließ er sie nachträglich genehmigen. Jegliche Nachfrage zu diesen Vorgängen wurden in der Folge unter der Decke gehalten.

Wiederum die Frage an Thaler: Wenn alles korrekt gelaufen ist – warum kann man nicht darüber sprechen und die Abläufe erklären? Wozu braucht es Akteneinsicht beim Staatsanwalt, wenn man nichts Illegales getan hat?

Arbeitshypothese mit gefärbter Thaler-Brille

Alle bekannt gewordenen Puzzleteile zusammengesetzt und alle als Arbeitshypothese mal strikt zugunsten Thalers ausgelegt, könnten die Geschichten so gehen:

Thaler und seine Ehefrau haben sich mit einem betagten Echinger angefreundet, der den Bürgermeister wohl höchst sympathisch und/oder kompetent fand, vielleicht von dem Ehepaar auch ehrlich unterstützt worden ist, und ihnen daher etwas Gutes tun wollte, indem er ihnen die von dem Paar händeringend gesuchte Wohnung zu einem absoluten Freundschaftspreis überließ.

Den Kauf nicht am Ort zu beurkunden und erst nachträglich anzeigen zu lassen, war die schiere Notwehr gegen möglichen Rufmord, der von Futterneidern ausgehen könnte. Es gibt Leute am Ort, die Thaler aus allem einen Strick drehen, was den Bürgermeister da übervorsichtig werden ließ.

Bei der „Faustschlag-Affäre“ am Echinger See hat Thaler in einem Akt von Zivilcourage Werte vertreten, deren Missachtung am Ort schon lange ein Ärgernis ist. Nachdem es dabei zu einer Auseinandersetzung mit Sachschäden bei beiden Beteiligten gekommen war, war es selbstverständlich, dass die Gemeinde für die entstehenden Kosten eintrat, da Thaler natürlich im Gemeindeinteresse gehandelt hatte und es einen Bürgermeister außer Dienst faktisch nicht gibt.

Die Anwalts- und Verfahrensrechnungen dem Gemeinderat vorzulegen, war nicht nötig, da sie allesamt Summen umfassten, deren Auszahlung rechtlich völlig unstrittig in der Verfügungskompetenz des Bürgermeisters liegt. Die (in allen Darstellungen seither totgerittene) Feststellung des Gerichts, Thaler habe am See nicht als Bürgermeister gehandelt, weil die Gemeinde keine Kompetenz zur Ahndung von Verkehrsrecht habe, ist völlig zu vernachlässigen, weil Thaler ja nicht einen Strafzettel ausstellen wollte, sondern nur ein Gemeindeanliegen durchsetzen.

Als in der Rechnungsprüfung die Ausgaben in Frage gestellt worden waren, legte sie der Bürgermeister sofort dem Gemeinderat vor und erhielt auch die Genehmigung, übrigens nicht nur von seinen Unterstützern, sondern von einer klaren überparteilichen Mehrheit. Nachfragen dazu mussten abgeblockt werden, weil der Vorgang private Schutzgüter betraf und daher nichtöffentlich zu behandeln ist.

Dass die Vorgänge in seltsamem Licht scheibchenweise der Öffentlichkeit gesteckt werden und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde, ist eine perfide Schmutzkampagne von einflussreichen und umtriebigen Leuten, die dem Bürgermeister teils aus parteipolitischer Gegnerschaft, teils aus persönlichen Ressentiments schaden wollen.

Viele offene Fragen

Die bekannten Bruchstücke könnten auch so zusammengesetzt werden, auch ohne dass der schweigende Thaler Fakten oder Indizien für diese Lesart beigesteuert hätte. Und so wäre wahrscheinlich nichts, aber auch gar nichts strafrechtlich relevant.

Allerdings bleiben selbst mit dieser Sicht aus der gefärbtesten Thaler-Brille Fragen offen:

Gibt es irgendwelche Umstände, Hintergründe, Voraussetzungen, unter denen ein Bürgermeister Werte aus der Erbmasse an seine Gemeinde zu vergünstigten Konditionen herauskaufen dürfte?

Wovon zeugt es, diesen Vorgang durch die Wahl des Notariats und die Sperrfrist der Veröffentlichung maximal zu verbergen?

Ist es Kollegialität oder Transparenz, die Übernahme eines kompletten Rechtsverfahrens durch die Gemeinde dem Gemeinderat nicht mal zur Kenntnis zu geben?

Warum können diese Vorgänge auch nach mehrmaligen Nachfragen und nachdem sie Gegenstand öffentlicher Debatten geworden sind, nicht offen gelegt werden?

Warum schweigt ein Bürgermeister zu alldem?

Alleine dass ein Amtsträger in maximal öffentlicher Position all diese Ungeheuerlichkeiten keiner Aussage wert findet, ist ein starkes Stück. Thaler erweckt derzeit den Eindruck, als wolle er alles aussitzen, völlig ungeachtet dessen, was das für den Ort und seine Entwicklung bedeutet.

Für seine private rechtliche Situation ist das wahrscheinlich am Schlauesten. Aber was heißt das für die Gemeinde, wenn ständig Fragezeichen über allem hängen, wenn jeder Auftritt des Bürgermeisters einen unguten Beigeschmack hat?

Dass angesichts dessen weder die politischen Parteien, die diesen Bürgermeister tragen, noch jene, die ihm in Gegnerschaft verbunden sind, Aussagen und Antworten einfordern, ist nachgerade unbegreiflich.

4 Lesermails

  1. Es ist wirklich fraglich, wie der Gemeinderat in manchem agiert. Es erschreckt mich immer wieder, wie manche Entscheidungen ausfallen, wie hier im Artikel. Manchmal ist es doch sinnvoll, sich einen Rat vom Rechtsanwalt für Verkehrsrecht einholen.

  2. Sehr geehrte Damen und Herren,

    die Tage werden kürzer, das Laub fällt von den Bäumen und die ersten Herbststürme fegen über Deutschland. So wehte auch Sturm Vinzenz (Anm.: Vorname des Autors des SZ-Artikels) vor kurzem durch Eching und brachte so einiges zu Tage. Und auch manches Fähnchen im Wind schwenkte dabei plötzlich um.

    Nun war es schon beträchtlich, was in diesem Artikel alles angesprochen und transparent gemacht wurde. Nach diesem Artikel kann ich weiterhin als Nicht-Jurist nicht zweifelsfrei beantworten, ob Herr Thaler strafbar gehandelt hat. Dass sein Handeln moralisch verwerflich war, steht für mich allerdings seitdem fest.

    Die Tatsache, dass er die Veröffentlichung des Wohnungskaufs auf nach der Bürgermeisterwahl terminieren ließ, zeigt mir, dass ihm bewusst war, dass dieser Kauf für seine Wiederwahl gefährlich war. Doch warum, wenn der Preis gerechtfertigt, der Verkäufer geschäftsfähig und die Wohnung nicht als Erbmasse für die Gemeinde vorgesehen war? Gegen einen normalen Wohnungskauf gäbe es nichts einzuwenden. Und auch ich würde einstimmen, dass es sich hier um eine reine Privatsache des Bürgermeisters handelt. Aber so…

    Interessant finde ich nun die Generalkritik an allen Gemeinderäten. Kann man doch ebenfalls dem SZ-Artikel entnehmen, dass Thaler sich intensiv rechtlich beraten ließ, wie man den Gemeinderat mundtot machen kann. Entsprechend kann ich Ihnen jetzt auch nicht sagen, was ich genau als Gemeinderat wusste. Erhielten wir doch alle Infos nur nicht-öffentlich.

    Ich kann Ihnen aber sagen, dass ich den größten Teil meines Wissens genau wie Sie aus den Medien beziehe. Bezeichnend hierfür ist ja auch die gereizte Nachfrage der Grünen, die sich am Rande der letzten Ratssitzung darüber beschwert haben, dass sie gemäß Antrag noch auf eine Finanzaufstellung der Kosten der Rechtsstreitigkeiten warten, während sie entsprechende Summen bis auf die Nachkommastellen aufgeschlüsselt in der Zeitung lesen konnten.

    Hinzu kommt, dass auch die Möglichkeiten des Gemeinderates beschränkt sind. Den direkt gewählten Bürgermeister in einem Misstrauensantrag abzusetzen, ist schlichtweg nicht möglich. Darüber hinaus gilt es auch bei allen Überlegungen darauf zu achten, ggf. aktuell laufende Ermittlungen nicht zu gefährden. Scheint es doch, als ob man im Moment nur die Spitze des Eisbergs sieht. Aber Sie können sich sicher sein, dass sich aktuell einige von uns nicht zum Spaß mit literarischen Werken wie dem Kommunal-Wahlbeamten-Gesetz beschäftigen.

    Dass dies nun alles zu lange dauert und damit zu Kritik führt, ist für mich durchaus verständlich. Allerdings empfinde ich einige der Kritikpunkte als extrem heuchlerisch. Denn jetzt den Gemeinderat in Sippenhaft kollektives Versagen vorzuwerfen, ist einfach. Aber wo waren die Kritiker, als die FW veröffentlichten, dass Thaler alle Partner der Echinger-Rundschau aufforderte, ihre Kooperation zu beenden (wofür er mittlerweile eine Rüge von der Kommunalaufsicht erhielt)?

    Wer hakte nach, als die FDP schon vor Monaten öffentlich eine Kostenaufstellung für die Gerichtsverfahren forderte und stattdessen eine Strafandrohung für die Veröffentlichung nicht-öffentlicher Daten erhielt? Und wo blieb der Aufschrei, als in der letzten Gemeinderatssitzung Thalers Unterstützer ihm trotz der aktuellen Vorwürfe einen größeren Finanzspielraum für die eigenmächtige Freigabe von Nachträgen zugestanden?

    Bei allen Vorwürfen gegen den Bürgermeister zeigt der Artikel aus der SZ doch noch etwas anderes: Was durch gute journalistische Arbeit alles möglich ist!

    Aber es ist eben Herbst in Eching. Und da wirbelt Tief Vinzenz dieses Jahr einiges durcheinander…

    Mit freundlichen Grüßen,
    Christoph Gürtner, Fraktionsvorsitzender FW

  3. Hat das Kontrollorgan Gemeinderat versagt?

    Der Gemeinderat hat Rechte und Pflichten und man frägt sich, ob diese auch bei allen bekannt sind, trotz Vereidigung. Bedenklich in meinen Augen ist, dass selbst Rechtsanwälte (1 Gemeinderat und der Gemeindeanwalt) das Recht so verdrehen. Der Beschluss des Gemeinderates, dass der BM im Amt war, ist nichtig.

    Der Gemeinderat steht nicht über dem Gesetz, somit ist es möglich, bzw. strafrechtlich relevant (Beihilfe), dass dies von der Staatsanwaltschaft überprüft wird. Auch sollte die Verhaltensweise der Geheimhaltung durch den BM (Anträge werden nicht bearbeitet) überprüft werden. Es wurde ein Antrag von der FDP gestellt, danach zum selben Thema auch ein Antrag von den Grünen und ebenso gibt es einen Antrag der FW zum Verhalten des Gemeindeanwaltes. All diese Anträge warten auf Bearbeitung. Der Gemeinderat wurde von den Bürgern gewählt, damit eben dieser Rat die Öffentlichkeit vertritt und der Bürgerschaft Rechenschaft abliefert.

  4. Sehr gut analysiert, s.g. Herr Bachhuber.

    Insbesondere der Wohnungsdeal mit dem mittlerweile verstorbenen Hans L. beweist, dass Thaler zuerst an sich selbst anstatt an das Wohl der Gemeinde denkt: Hans L. hatte bekanntlich testamentarisch verfügt, dass seine Wohnung (92 m², Verkehrswert: geschätzt 600.000 €) in der Lessingstraße nach seinem Ableben von der Gemeinde geerbt wird und dass der Verkaufserlös dem ASZ zugute kommen soll.

    Unabhängig von der Tatsache, dass das Ehepaar Thaler nur 300.000 € für die Wohnung zahlte (was nicht strafbewehrt ist), bleibt die Frage nach Anstand und Moral. Sicherlich war es für die beiden verlockend, eine 92-m²-Wohnung in bester Lage zum Schnäppchenpreis zu ergattern. Aber überhaupt den Versuch zu wagen, den betagten, gebrechlichen Herrn L. zur Änderung seines Testaments – zum Nachteil der Gemeinde – zu überreden, lässt tiefe Blicke in den wahren Charakter unseres (Noch-)Bürgermeisters erkennen.

    Zumindest bei mir hat Thaler, unabhängig vom Ausgang der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in dieser Geschichte, die Legitimation als oberster Lenker unserer Gemeinde verspielt – zumindest moralisch.

    Bleibt der strafrechtliche Aspekt: Sebastian Thaler hat, wie jede(r) Gemeinderat/rätin, bei Amtseinführung einen Treueeid gem. bayerischem Kommunal-Wahlbeamten-Gesetz (KWG) darauf geschworen, Schaden von der Gemeinde abzuwenden. Dadurch, dass er (sowie seine Ehefrau) Herrn L. zur Änderung seines Testaments zu Lasten der Gemeinde (insbesondere des ASZs) und zu Gunsten des Ehepaar Thalers überredet haben, hat Thaler m. E. seinen Treueeid missachtet. Ich hoffe, dass die ermittelnde Staatsanwaltschaft auch diesen Aspekt prüft und ggf. zur Anklage bringt.

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