Lesermail zum Artikel „Ein Drama ohne Ende“

Lieber Herr Timmermann,

wenn ich das Echinger Modell richtig verstanden habe, bleiben dem Besitzer eines landwirtschaftlichen Grundes, wohlgemerkt, er besitzt 100 %, nach Umwandlung in Baugrund nur noch 35 %. Hoffentlich ist das Grundstück auch groß genug, dass dann auch noch ein Haus drauf passt… Einen Ausgleich mit Geld lasse ich bei dieser Betrachtung bewusst weg.

Jetzt überlegt der Grundstückbesitzer…hm, soll ich das machen?

Hierzu gibt es ein interessantes Ultimatumspiel. Nachzulesen im Internet. Dieses Ultimatumspiel sollte der Gemeinderat studieren. In Ismaning ist offensichtlich dieses Spiel verstanden worden.

Das Ultimatumspiel: Dieses simple Spiel zeigt, warum wir alle neiderfüllte Idioten sind.
www.finanzen100.de/finanznachrichten/wirtschaft/dieses-simple-spiel-zeigt-warum-wir-alle-neiderfuellte-idioten-sind_H1944344483_414066/

Ich habe 100.000 Euro und biete euch davon 15.000 Euro an. Einfach so. Nehmt ihr an, bekommt ihr das Geld und ich die restlichen 85.000 Euro. Lehnt ihr ab, bekommen wir beide gar nichts. Wie entscheidet ihr euch?

Die Erfahrung zeigt, dass die meisten von euch den Handel ablehnen würden. Dabei ist das auf einer rationalen Ebene völlig unlogisch. Selbst wenn ich viel mehr bekomme, hättet ihr am Ende immer noch 15.000 Euro mehr als vorher. Doch so ticken wir Menschen nicht.

So geht das Ultimatumspiel. Bewiesen hat das eine Forschergruppe um den Deutschen Werner Güth schon Anfang der 1980er Jahre. Ihr „Ultimatumspiel“ gilt als einer der Grundsteine moderner Wirtschafts- und Politiktheorien. Güth und seine Kollegen testeten zufällige Menschen auf der Straße. Einem drückten sie 100 Dollar in die Hand und sagten, dass er diese mit einem anderen, ihm Unbekannten, teilen müsse. Er dürfe das Geld so aufteilen, wie er wolle, dem anderen aber nur einmal ein Angebot machen. Nehme dieser an, bekämen beide ihren Anteil. Lehne er ab, bekämen beide nichts.

Rein rechnerisch müsste die zweite Person jedes Angebot annehmen, selbst wenn ihr nur ein Dollar geboten wird. Doch praktisch sieht das anders aus. Bei Angeboten unter 30 Dollar wurden mehr als die Hälfte abgelehnt. Erst ab etwa 40 Dollar konnte sich der Anbieter relativ sicher sein, dass sein Gegenüber annehmen würde.

Spätere Experimente zeigten, dass dabei etwa die Höhe der Geldsumme keine Rolle spielte. Andere Forscher wiederholten das Experiment in Ländern, in denen 100 Dollar schon sehr viel Geld sind – in Indien oder Afrika zum Beispiel. Doch auch hier zeigte sich dasselbe Ergebnis.

Die nette Interpretation: Gerechtigkeit ist wichtiger als Profit.

Es gibt zwei Möglichkeiten, dieses Verhalten zu interpretieren. Die nette Variante sagt, dass uns Menschen Gerechtigkeit wichtiger ist als unser eigener Profit. Denn wer das Angebot ablehnt, entscheidet sich für die unprofitablere Variante. Über EEG-Messungen konnte aber gezeigt werden, dass in diesem Falle aber trotzdem unser Belohnungssystem im Gehirn aktiviert wird.

Kurz: Die Befriedigung, den knausrigen Anbieter bestraft zu haben, wiegt für uns höher als der mögliche materielle Gewinn. Erst kurz vor der komplett gerechten Aufteilung schwankt das bei der Mehrheit der Menschen um.

Das hat Auswirkungen. Politikwissenschaftler überlegen zum Beispiel seit Jahrzehnten, wie sich die Ergebnisse des Ultimatumspiels für politische Reformen nutzen lassen. Vielleicht, so die These, sei es viel effektiver, bei geplanten Gesetzen an die Gerechtigkeit für das Gemeinwohl zu appellieren als an den individuellen Gewinn – selbst wenn die Mehrheit von einem Vorhaben profitieren würde. Allerdings: Das lässt sich schwer experimentell belegen – wie sollte man eine ganze Regierung simulieren?

Die gemeine Interpretation: Wir sind alle neidisch.

Es gibt aber auch eine weniger nette Interpretation des Experimentes. Vielleicht ist es gar nicht unser Gerechtigkeitssinn, sondern unser Neid, der uns zu niedrige Angebote ablehnen lässt.

Die Universität Harvard hat das um die Jahrtausendwende in zwei Experimenten erforscht. In dem einen wurden Studenten zwei Szenarien angeboten. Entweder sie bekämen ein Gehalt von 100.000 Dollar im Jahr und alle anderen im Raum 200.000 Dollar oder sie selber ein Gehalt von 50.000 Dollar und alle anderen im Raum nur 25.000 Dollar.

Ihr ahnt, wofür sich die Mehrheit entschied. Lieber wollten sie der Reichste im Raum sein, statt doppelt so viel Geld zu verdienen, aber ärmer zu sein. Gerecht war keines der beiden Szenarien – scheinbar entschieden sich die Studenten nur aus Neid und Geltungsdrang für die eine Variante.

In einem zweiten Experiment befragte der Sozialwissenschaftler Erzo F. P. Luttmer Einwohner der USA nach ihrem Einkommen und Wohlbefinden. Ergebnis: Unabhängig von der Höhe des Einkommens fühlten sich Menschen schlechter, wenn ihre Nachbarn reicher waren – und besser, wenn ihre Nachbarn ärmer waren.

Was die Studien mit der deutschen Politik zu tun haben.

Das bestätigten auch die kalifornischen Elite-Unis Berkeley und Princeton in einer Feldstudie. Sie befragten öffentliche Beschäftigte nach ihrem Wohlbefinden. Da der Staat Kalifornien die Gehälter all seiner Angestellten transparent veröffentlicht, ließen sich die Aussagen gut mit dem Gehalt des Befragten und seiner Kollegen vergleichen. Wer gegenüber den direkten Kollegen unter dem Durchschnitt lag, dem ging es schlechter. Wer aber darüber lag, dem ging es nicht genauso proportional besser. Wir sind also eher frustriert als dankbar.

Ähnliche Studien gibt es auch aus Deutschland. Kölner Professoren stellten denselben Effekt bei der Untersuchung des Bonus-Systems eines Dax-Konzerns fest.

Die Studien haben direkte Auswirkungen auf Unternehmen. Erstens zeigen sie, warum es aus Unternehmenssicht schlau ist, wenn Angestellte nicht wissen, was ihre Kollegen verdienen. Es verhindert Frust bei denen, die benachteiligt werden, und lässt diese dadurch motivierter arbeiten.

Von Christoph Sackmann

Ich gehe noch weiter… Wir sind keine Neider, denn Neid ist etwas Gutes… Neid spornt an, um das Gleiche zu erreichen. Aus meiner Sicht ist das Missgunst und das ist viel schlimmer.

Georg Fütterer

Ein Lesermail

  1. Lieber Herr Fütterer,

    genaue Werte weiß ich leider nicht. In der Presse wurden immer 30 %/35 %/ein Drittel erwähnt, die der Grundstückseigentümer als Baugrund erhält. Wie sie sagen, wenn es blöd läuft, muss man schauen, dass man ein kleines Haus darauf unterbringt.

    Neid und Missgunst ist leider in unserer Gesellschaft tief verankert. Warum sollte dies dann nicht auch bei Baugrundausweisungen der Fall sein? Getreu der Denke „ich habe mein Häuschen, einen anderen gönne ich die Wertsteigerung jedoch nicht“. Dass jedoch diejenigen, die einen Baugrund für sich und ihre Familie suchen (außerhalb des Echinger Modells aufgrund der niedrig angesetzten Einkommensgrenzen), darunter leiden, spielt offenbar keine Rolle.

    Eine Hauptintention des Echinger Modells ist auch, dass die Gemeinde dadurch eine weitere, wichtige Einkommenskomponente für sich generiert. Andere Gemeinden haben hier innovative Lösungen, wie Schulen, Kindergärten und Straßen durch die Bauträger finanziert werden können, ohne auf ein veraltetes Modell zurückzugreifen. Sie sprechen Ismaning an, vermutlich ist dies dort der Fall. Ohnehin eine sehr fortschrittliche Gemeinde.

    Ich habe heute den Artikel über die Umgehungsstraße von Dietersheim in diesem Forum gelesen. Eine Verschiebung der Diskussion bis die Fortschreibung des Entwicklungsprogramm besprochen wird, wird in dem Artikel erwähnt. Wurde nicht bereits vor zwei Jahren in den Medien berichtet, dass das Gemeindeentwicklungsprogramm fortgeschrieben und entsprechend diskutiert wird?

    Für mich ist es vollkommen unverständlich, wie man heutzutage überhaupt noch den Bau einer Umgehungsstraße, durch welche große Flächen von Natur versiegelt werden, in Betracht ziehen kann und das Projekt nicht gleich begraben wird. Dies wäre ein Nackenschlag für die Ökologie und den Naturschutz.

    Die glorreiche Äußerung der CSU, dass eine kleine Umgehungsstraße höhere Realisierungschancen hätte, möchte ich mit folgenden Argumenten widerlegen: Wenn die Vergangenheit bei Straßenbauprojekten eins gezeigt hat, dann dass es hier massivsten Bürgeraufstand der betroffenen Anwohner gibt. Ich bin zwar kein Dietersheimer, jedoch kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die betroffenen Anwohner auf die Barrikaden steigen werden und entsprechende rechtliche Wege einleiten werden, wenn vor ihrer Haustüre eine Umgehungsstraße vorbeiführen soll. Man hätte dann vielleicht nicht mehr 50 Grundstückseigentümer wie bei der großen Variante involviert, vielleicht sind es dann nur noch 30 Eigentümer. Werden diese ihr Grundstück für eine Straße verkaufen, wenn keine Enteignungen möglich sind? Wohl kaum…

    Zudem würde man die Entwicklungsmöglichkeiten des Ortes enorm einschränken. Ist eine Straße wichtiger, als dem akuten Problem der Wohnraumknappheit entgegenwirken oder als Flächen für innovative Gewerbeunternehmen zu schaffen, die langfristig durch deren Steuern zum Wohl der Gemeinde beitragen?

    Des Weiteren muss man die von den Grünen anvisierte Verkehrswende berücksichtigen, wodurch durch den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel der Individualverkehr zurückgehen wird.

    Aus gegebenem Anlass möchte ich nun noch den heute präsentierten Koalitionsvertrag zitieren: „Dafür starten wir einen Aufbruch in der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik. Unser Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr…“ – „Wir werden eine Bau- und Investitionsoffensive starten, die die Voraussetzungen schafft, schnell und günstig zusätzlichen Wohnraum zu schaffen..“

    Ob die Gemeinde Eching sich dies zu Herzen nimmt und die Bundesregierung bei der Umsetzung dieses Ziels unterstützt? Sind doch auch SPD und Grüne, tragende Säulen der neuen Bundesregierung, stark in unserem Gemeinderat vertreten.

    Markus Timmermann

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