Lesermail zum Artikel „Beschlüsse zur Kostenübernahme aufgehoben“

Liebe Echinger Mitbürger*innen,

zu den vier Grundsätzen des Strafrechts zählt das Rückwirkungsverbot. Was zum Zeitpunkt der Tat nicht strafbar war, kann nicht bestraft werden.

Kann man das nun auch auf das gemeindliche Handeln übertragen? Darf der Gemeinderat rückwirkend einmal gegebene Zusagen wieder einkassieren? Das Landratsamt Freising meint ja, die vom Amt selbst genannten Kommentare zur Bayrischen Gemeindeordnung sagen nein.

Ich zitiere hier Leon Eckert, den vom Gemeinderat mit der Aufarbeitung des Sachverhalts beauftragten 3. Bürgermeister (Schreiben an die Ratsmitglieder): „Bereits jetzt weise ich darauf hin, dass eine rückwirkende Aufhebung der Kostenübernahmebeschlüsse rechtlich nicht eindeutig möglich ist. Die Kommunalaufsicht scheint sich insofern selbst nicht ganz sicher zu sein, worauf die Einschränkung ´unseres Erachtens´ hindeutet. Aus der von der Kommunalaufsicht zitierten Kommentarstelle (Widtmann/Grasser/Glaser, Art. 51, Rn. 8, BayGO) ergibt sich die Möglichkeit einer rückwirkenden Aufhebung nicht. Aus dem Kommentar (Schulz/Wachsmuth) ergibt sich, dass eine rückwirkende Aufhebung eines bereits vollzogenen rechtswidrigen Beschlusses nicht möglich ist.“

Zur Erinnerung: Es geht um einen Vorfall am Echinger See im Jahre 2018. Echings Bürgermeister hatte einen Verkehrsteilnehmer auf dessen Fehlverhalten hingewiesen. Der daraus resultierende Streit landete dann vor dem Landgericht Landshut.

Gestützt auf das Gutachten einer Anwaltskanzlei und sicherlich bei vielen Ratsmitgliedern auch im Einklang mit dem persönlichen Rechtsempfinden, hatte der Gemeinderat mehrheitlich dem obersten Angestellten der Gemeinde (genauer: Wahlbeamten) gemeindlichen Rechtsschutz in dieser Angelegenheit zugesichert. Ein übliches Verhalten in solchen Fällen. Mit dieser Zusicherung im Hintergrund führte Herr Thaler dann den Rechtsstreit nach erstinstanzlicher für ihn negativer Entscheidung (LG Landshut) vor dem OLG München weiter.

Und jetzt? Der Gemeinderat nimmt mit Mehrheitsbeschluss (24.05.2022) seine ursprünglich gegebene Zusage, trotz der geschilderten sehr wackligen Rechtsgrundlage, wieder zurück. Einen klaren Weg, wie die aufgelaufenen Kosten für den gewährten Rechtsschutz wieder „hereingeholt“ werden können, konnte niemand aufzeigen. Es soll erneut die Rechtsaufsicht befragt werden. Realistisch zu erwarten sind weitere Rechtsstreitigkeiten mit den entsprechenden Anwaltskosten.

Meinem Rechtsempfinden läuft der gewählte Weg zuwider. Er wird, je nachdem wie nach der Stellungnahme des Landratsamtes weiter verfahren wird, der Gemeinde eher mehr Geld kosten als sie zurückerwarten kann.

Herbert Hahner, Gemeinderat, Sprecher der SPD-Fraktion

update 05.08.: Eine Anmerkung des Landratsamts Freising: In dem vom Amt genannten Kommentar zur Bayerischen Gemeindeordnung heißt es wörtlich: „Ein einmal gefasster Beschluss bleibt im Grundsatz bestehen, bis er durch einen gegenteiligen Beschluss des Gemeinderats wieder aufgehoben wird, sei es für die Zukunft, sei es – was mit gewissen Einschränkungen zulässig ist – mit Rückwirkung.“ Der Gemeinderat kann einen einmal gefassten Beschluss also durchaus wieder aufheben – auch mit Rückwirkung.

4 Lesermails

  1. Sehr geehrter Herr Hahner,

    Sie wenden sich an die Echinger Mitbürger*innen und verteidigen Ihre Ablehnung des rechtswidrigen Beschlusses mit Gesetzestexten. Es ist ein Armutszeugnis, dass der Beschluss nicht einstimmig zurückgenommen wurde.

    Weiterhin wird versucht, durch Geheimhaltung gegenüber der Öffentlichkeit die Chausa Thaler abzuwürgen. Ich erinnere nur daran, dass die Öffentlichkeit seit November 2021 wartet, in der Sache Schwager aufgeklärt zu werden.

    Herr Hahner, Sie bekleiden mehrere Posten (Fraktionsvorsitz SPD, Kassier SPD und Kassier Kulturverein). Im letzteren hatte ich versucht, bei der Jahresversammlung des Kultur-Forums eine Diskussion anzustoßen. Dies wurde abgeblockt mit der Begründung, wir sind der Kulturverein und nicht die Politik.

    Stattdessen wurde beschlossen, einen Spendenantrag über 10.000 € bei der Gemeinde zu stellen. Sie, Herr Hahner, haben hochnäsig Ihrem Gemeinderatsmitglied Herrn Müller-Saala dargelegt, den Antrag drücken wir durch den Gemeinderat. Ergebnis: ist mittlerweile bekannt, der Antrag wurde mit 10 zu 11 Stimmen im Gemeinderat abgelehnt.

    Im Gemeinderat gab es mehrere interessante Aspekte dazu (Festausschuss?), aber mich hat die Aussage der Kämmerin schockiert: Mit diesem Antrag soll das Vergabeverfahren umgangen werden (Ausschreibung).

    In der Zwischenzeit wurde auch die Jahresversammlung der SPD abgehalten. Hierzu habe ich an Sie, Herr Hahner, 2 Fragen. Gab es einen Kassenbericht und entsprechende Entlastung der alten Vorstandschaft und des Kassiers? Leider konnte ich darüber nichts lesen.

    Auf Antwort wartend verbleibe ich

    mit freundlichen Grüßen

  2. Sehr geehrter Herr Hahner, lieber Herbert,

    Du verschweigst bei Deiner heutigen Lesermail einen wesentlichen Aspekt: Georg Bartl (CSU-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat) hat vor den Abstimmungen im GR „pro/kontra“ Kostenübernahme“ mehrmals (!) angemahnt, dass – neben dem Persilschein für Thaler der Anwaltskanzlei – auch das zivilrechtliche Urteil des LG Landshut als weitere Entscheidungsgrundlage mit herangezogen werden sollte. Diese Anträge von Herrn Bartl wurden von der gesamten „bunten“ Gemeideratsmehrheit, der sowohl Du als auch Leon Eckert angehören, niedergeschmettert.

    Da herrschte bei Euch offensichtlich ein Chorgeist, der jegliche vernünftige Sachargumente, die nicht von der SPD, den Grünen, den BfE oder der EM kommen, per sé als nicht diskussionswürdig erschienen ließen.

    Hättet Ihr das Urteil des LG Landhut und den Beschluss des OLG München, die beide beinhalten, dass Thaler a) der Verursacher der zumindest grob fahrlässigen Sachbeschädigung an einem SUV war und b) keinerlei Legitimation zum Maßregeln von Verkehrsteilnehmern durch den 1. Bgm. hatte, abgewartet und dann ernst genommen, wären die von Dir geschilderten Probleme mit dem Eintreiben der für Thaler von der Gemeinde verauslagten 72.400 € überhaupt nicht entstanden.

    Du und die anderen GR-Mitglieder, die (zweimal) für die Kostenübernahme votiert haben, können m. E. froh sein, dass Gemeinderäte für leichtfertige Entscheidungen, die die Gemeindekasse (besser: den Echinger Steuerzahler) eine Menge Geld gekostet haben, nicht persönlich haften müssen.

    Meine Bitte an Dich: Bitte keine weiteren Ablenkungsmanöver in dieser Sache mehr von Dir.

    Grüße aus der Nelly-Sachs-Straße
    Guido (Langenstück)

  3. Recht “haben”, Recht sprechen und Recht bekommen waren schon immer ganz unterschiedliche Dinge. Vielleicht sollten alle Beteiligten, insbesondere der Gemeinderat, der erst dem BM die Kostenübernahme auf Basis eines angreifbaren Rechtsgutachten der Kanzlei zugesichert hat und jetzt nach Empfehlung vom LRA eine 180-Grad-Drehung hinlegt, dafür sorgen, dass die Steuerzahler das Geld zum Wohle der Gemeinde zurückbekommen, egal ob vom BM oder Kanzlei. Dann haben die Bürger*innen vielleicht noch ein wenig Wohlwollen gegenüber dem Gremium.

    Als Echinger Unternehmer und jemand, der hier aufgewachsen ist, kann ich nur sagen, dass mein Unverständnis für die Vorgänge in der Politik und in der Verwaltung täglich wächst. Wofür zahlen die Unternehmen und Bürger in Eching Steuern? Wenn ich einen Zirkus erleben will, fahre ich in die Marsstraße nach München, das ist billiger.

    Früher hatte Eching eine Vorreiterrolle im Münchner Norden, mittlerweile verkommen wir zur Lachnummer.

  4. Sehr geehrter Herr Hahner,

    der Schaden am Fahrzeug des geschädigten Autofahrers betrug rund 4.500 Euro. Die von der Gemeindekasse Eching verausgabten Anwalts-, Verfahrens- und Schadensersatzkosten sollen bei über 70.000 Euro (Steuergeld) liegen.

    Der Gemeinderat hat mehrheitlich im Juni 2020 einer rückwirkenden (!) Kostenübernahme zugestimmt, eine Summe oder Betrag wurde dabei nicht beschlossen. Auch der Beschluss einer zukünftigen Kostenübernahme im September 2020 wurde pauschal genehmigt, also blanko.

    Wenn die Kosten bei z. B. 200.000 Euro gelegen hätten, dann wäre das mit den Beschlüssen auch gedeckt gewesen? Was soll das? Diente dieses Handeln wirklich der Gemeinde Eching?

    Herrn Eckert kann ich nur zustimmen, die rechtswidrigen Beschlüsse aufzuheben.

    Die von Herrn Georg Bartl (CSU-Fraktionssprecher) immer wieder vorgetragenen Hinweise auf die Rechtswidrigkeit dieser Kostenübernahmen wollte die bunte Mehrheit im Gemeinderat gar nicht hören.

    Ob der Bürgermeister später wegen besonders schwerer Untreue verurteilt wird, ist m. M. n. sekundär, wichtiger ist, dass die Gemeinde Eching das rechtswidrig verauslagte Steuergeld zurück erhält.

    Mit freundlichen Grüßen – Torsten Wende

Lesermail verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert