Leseprobe aus dem Roman „Das Jahr der Rosen“ des Dietersheimer Autors Bernhard Ganter:
Florian fühlte sich schwach und abgespannt. Er setzte sich auf den Rattanstuhl und streckte seine Beine weit aus. Seine Arme fielen kraftlos über die Lehnen. Er schloss die Augen.
„Ihr versteht mich nicht, ich weiß das. Wie solltet ihr auch.“ Er lachte gequält auf. „Ich versteh’ mich ja selbst kaum.“ Seine Stimme wurde leiser. „Ich muss nachdenken, nachdenken.“ Schließlich murmelte er nur noch zusammenhangslos vor sich hin: „Er entkommt mir nicht, ich krieg’ ihn … ich muss ihn totmachen, ja, totmachen.“
So saß er, als Gefangener seiner Seelenpein und qualvoll in sich geduckt, unbeweglich auf dem Stuhl, und spürte die fortschreitende Gefühlsstarre in sich. Tote müssen ähnlich starr sein, dachte er.
Er spürte ein leichtes Kribbeln auf seinem Handrücken. Seine Lider hoben sich träge. Es war eine Fliege, die sich auf seiner Haut niedergelassen hatte. Mit einer fahrigen Handbewegung verscheuchte er sie. Doch kaum hatte er die Augen wieder geschlossen, war sie wieder da und drangsalierte ihn erneut. Wütend versuchte er, sie mit der anderen Hand zu erschlagen.
Es gelang ihm nicht. Er wusste, sie wartete nur darauf, bis ihm vor Müdigkeit die Augen zufallen würden, um ihn erneut zu piesacken. Eine ganze Weile verging. Es fiel ihm immer schwerer, wach zu bleiben. Wo war sie? Wo hielt sich das hinterhältige Biest versteckt?
Schlafen, dachte er, schlafen, und dann war er plötzlich weg. In diesem Augenblick flog ihm die Fliege mitten ins Gesicht. Florian fuhr hoch und schlug wie wild um sich. »Du Drecksvieh, ich bring’ dich um«, schrie Florian, und es wurde ihm schlagartig bewusst, dass er im Grunde genommen nicht so sehr die Fliege hasste, die ihm keine Ruhe zu gönnen schien, sondern den Mann, der ihn eines Tages zum Mörder machen würde.
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